Der verzauberte Turm
Kleid mit Dreck und Blut verschmiert.
»Sie ist beim Kampf einem der Meuchelmörder in den Weg gekommen und liegt im Sterben -dabei hat sie immer wieder deinen Namen gemurmelt. Ich hatte ihn ihr nicht gesagt. Ich fürchte deshalb, daß du recht hast. Die beiden sind geschickt worden, um dir den Ring zu stehlen. Ich habe mich täuschen lassen.«
Mit schnellen Schritten näherte sich Elric der Sterbenden und kniete neben ihr nieder. Sanft berührte er sie an der Wange. Sie öffnete die Augen und starrte ihn mit glasigem Blick an. Ihre Lippen formten seinen Namen.
»Warum wolltet ihr mich bestehlen?« fragte Elric. »Wer ist euer Herr?«
»Urish...« sagte sie mit einer Stimme wie ein Windhauch im Gras. »Den Ring stehlen, ihn nach Nadsokor bringen.«
Mondmatt stand auf der anderen Seite des sterbenden Mädchens. Er hatte eine Weinflasche gefunden und bückte sich, um ihr zu trinken zu geben. Sie versuchte den Wein zu schlucken, schaffte es aber nicht mehr. Die Flüssigkeit rann ihr über das kleine Kinn, den schlanken Hals hinab und auf die verwundete Brust.
»Du bist eine Bettlerin von Nadsokor?« fragte Mondmatt.
Sie nickte schwach.
»Urish ist seit jeher mein Feind«, sagte Elric zu ihm. »Ich habe ihm vor langer Zeit einmal ein Besitzstück abgenommen, und das hat er mir nie verziehen. Vielleicht strebt er zum Ausgleich dafür nach dem Actorios-Ring.« Er blickte auf das Mädchen hinab. »Deine Begleiterin - ist sie nach Nadsokor zurückgekehrt?«
Wieder schien das Mädchen zu nicken. Dann wich jeder Ausdruck aus den Augen, die Lider glitten herab, und sie hörte auf zu atmen.
Elric stand auf. Er hatte die Stirn gerunzelt und rieb die Hand, an der der Ring der Könige gesteckt hatte.
»Laß ihn doch den Ring behalten«, sagte Mondmatt hoffnungsvoll. »Dann ist er wenigstens zufrieden.«
Elric schüttelte den Kopf.
Mondmatt räusperte sich. »Eine Karawane verläßt in einer Woche Jadmar. Sie wird von Rackhir aus Tanelorn kommandiert und bringt Vorräte für die Stadt. Wenn wir mit dem Schiff an der Küste entlangfahren, können wir schnell in Jadmar sein, uns Rackhirs Karawane anschließen und in guter Gesellschaft nach Tanelorn reisen. Wie du weißt, ist es selten, daß Tanelorner solche Reisen machen. Wir haben Glück, denn.«
»Nein«, sagte Elric leise. »Wir müssen Tanelorn zunächst vergessen, Mondmatt. Der Ring der Könige ist das Bindeglied zu meinen Vorvätern. Und mehr - er hilft meinen Zauberkräften und hat uns mehr als einmal das Leben gerettet. Wir reiten sofort nach Nadsokor. Ich muß versuchen, das Mädchen einzuholen, ehe sie die Stadt der Bettler erreicht. Gelingt mir das nicht, muß ich die Stadt betreten und meinen Ring zurückholen.«
Mondmatt erschauderte. »Das wäre törichter als jeder Plan, den ich vorschlage, Elric! Urish würde uns vernichten!«
»Trotzdem muß ich nach Nadsokor reisen.«
Mondmatt bückte sich und begann dem toten Mädchen systematisch den Schmuck abzunehmen. »Wir brauchen jede Münze, die wir bekommen können, wenn wir gute Pferde kaufen wollen«, sagte er entschuldigend.
Drittes Kapitel
Die kalten Ghuls
Vor dem roten Sonnenuntergang wirkte Nadsokor aus dieser Entfernung eher wie ein ungepflegter Friedhof als wie eine Stadt. Türme standen schief, Häuser waren halb eingestürzt, die Stadtmauern von Rissen durchzogen.
Elric und Mondmatt erreichten auf ihren schnellen shazarischen Pferden (die ihre ganze Barschaft gekostet hatten) die Spitze des Hügels und erblickten die Stadt. Schlimmer - sie rochen sie auch. Tausend üble Gerüche aus dem brodelnden Seuchenpfuhl. Beide Männer würgten und wendeten ihre Pferde am Hang, um ins Tal zurückzureiten.
»Wir lagern hier ein Weilchen - bis zur Nacht«, sagte Elric. »Dann reiten wir nach Nadsokor.«
»Elric, ich weiß nicht, ob ich den Gestank ertragen kann. Wie immer wir uns auch verkleiden, unser Ekel würde uns als Fremde brandmarken.«
Elric lächelte und griff in seinen Beutel. Er nahm zwei kleine Kügelchen heraus und reichte Mondmatt eines davon.
Der Ostländer musterte das Ding mißtrauisch. »Was ist das?«
»Ein Mittel. Ich habe es schon bei meinem letzten Besuch in Nadsokor benutzt. Die Pille wird dir deinen Geruchssinn rauben - leider auch deinen Geschmack.«
Mondmatt lachte: »Ich hatte auch nicht vor, in der Stadt der Bettler eine Schlemmermahlzeit zu genießen!« Er schluckte die Pille, und Elric tat es ihm nach.
Beinahe sofort fiel Mondmatt auf, daß der Gestank der Stadt
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