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Der verzauberte Turm

Der verzauberte Turm

Titel: Der verzauberte Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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hatte.
    Der Abend rückte heran, doch er bemerkte den Sonnenuntergang kaum. Die Nacht brach an, doch er marschierte weiter, ohne auf die Kälte zu achten. Seine Kräfte ließen bereits nach. Er genoß diese Schwäche, wo er zuvor die Kraft zu erhalten gesucht hatte, die ihm ohnehin nur durch die Macht des Schwarzen Schwertes zugeflossen war.
    Etwa gegen Mitternacht knickten ihm unter einem bleichen Mond die Knie ein, und er fiel flach in den Sand und blieb liegen, während der Rest seiner Sinne schwand.
    »Prinz Elric! Mein Lord?«
    Die Stimme klang voll, vibrierend und beinahe amüsiert. Es war die Stimme einer Frau, und Elric erkannte sie. Er rührte sich nicht.
    »Elric von Melnibone!«
    Er spürte eine Hand an seinem Arm. Sie versuchte ihn hochzuziehen. Elric wollte sich lieber doch nicht hochzerren lassen, sondern richtete sich nicht ohne Mühe in eine sitzende Stellung auf. Er versuchte zu sprechen, doch zuerst stiegen keine Worte aus seiner Kehle, die trocken und voller Sand war. Sie stand vor ihm, und das Morgenlicht stieg hinter ihr empor und erhellte ihr langes schwarzes Haar und rahmte ihre wunderschönen Züge. Sie war in ein langes blaues, grünes und goldenes Gewand gekleidet und lächelte ihn an.
    Während er den Sand ausspuckte, schüttelte er den Kopf und sagte schließlich: »Wenn ich tot bin, plagen mich noch immer Phantome und Illusionen.«
    »Ich bin nicht mehr eine Illusion als irgend etwas anderes auf dieser Welt. Du bist nicht tot, mein Lord.«
    »Dann bist du viele Meilen von Schloß Kaneloon entfernt, Lady. Du bist von der anderen Seite der Welt gekommen - von Rand zu Rand.«
    »Ich habe dich gesucht, Elric.«
    »Dann hast du dein Wort gebrochen, Myshella, denn als wir uns trennten, sagtest du, du würdest mich nicht wiedersehen, unsere Lebenswege seien nicht länger miteinander verwoben.«
    »Damals glaubte ich, Theleb K'aarna wäre tot - unser gemeinsamer Feind wäre in der Schlinge des Fleisches umgekommen.« Die Zauberin breitete die Arme aus, und es sah fast so aus, als rufe sie mit der Geste die Sonne herbei, denn sie erschien urplötzlich über dem Horizont. »Warum bist du so einfach in die Wüste gewandert, mein Lord?«
    »Ich habe den Tod gesucht.«
    »Dabei weißt du, daß es nicht dein Schicksal ist, auf eine solche Weise zu sterben.«
    »Das hat man mir gesagt, aber genau wissen tue ich das nicht, Lady Myshella.« Er richtete sich unsicher auf und stand schwankend vor ihr. »Ich beginne allerdings zu ahnen, daß es sich doch so verhält.«
    Sie trat vor und holte unter ihrer Robe einen Kelch hervor. Das Gefäß war bis zum Rand mit einer kühlen, silbrigen Flüssigkeit gefüllt. »Trink«, sagte sie.
    Er machte keine Anstalten, den Kelch zu nehmen. »Es freut mich nicht, dich zu sehen, Lady Myshella.«
    »Warum? Weil du Angst hast, mich zu lieben?« »Wenn es dir schmeichelt, so etwas anzunehmen - ja.«
    »Es schmeichelt mir nicht. Ich weiß, daß du an Cymoril erinnert wirst und daß ich den Fehler beging, Kaneloon zu dem zu machen, was du dir am meisten wünschst - ehe ich begriff, daß es zugleich das ist, was du am meisten fürchtest.«
    Er senkte den Kopf. »Schweig!«
    »Es tut mir leid. Ich habe mich damals schon entschuldigt. Für ein Weilchen haben wir Sehnsucht und Entsetzen vertrieben, nicht wahr?«
    Er blickte auf, und sie starrte eindringlich in seine Augen. »Nicht wahr?«
    »Ja.« Er atmete tief ein und griff nach dem Kelch. »Ist dies ein Mittel, das mir den Willen rauben und mich veranlassen soll, für deine Interessen einzutreten?«
    »Dazu wäre kein Trank in der Lage. Er wird dich beleben, das ist alles.«
    Er kostete von der Flüssigkeit, und sofort war sein Kopf klar, und seine Gedanken ordneten sich. Er leerte den Kelch und spürte ein Glühen der Stärke im Leib und in den Gliedmaßen.
    »Möchtest du immer noch sterben?« fragte sie, als sie den Kelch wieder in Empfang nahm und unter ihrer Robe verstaute.
    »Wenn der Tod mir den Frieden bringt.«
    »Das tut er nicht - nicht, wenn du jetzt und hier stirbst. Das weiß ich.«
    »Wie hast du mich hier gefunden?«
    »Oh, mit verschiedenen Mitteln, davon waren einige auch magischen Ursprungs. Doch letztlich hat mein Vogel mich zu dir gebracht.« Sie streckte den rechten Arm aus und deutete hinter ihn.
    Er drehte sich um und erblickte den Vogel aus Gold und Silber und Messing, auf dem er in Myshellas Diensten selbst schon geritten war. Die mächtigen Metallflügel waren gefaltet, aber die Smaragdaugen blickten

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