Der verzauberte Turm
Verdammte Volk sich schließlich selbst vernichtet hatte. Und das Gebilde lebte. Tief in seinem Inneren pulsierte etwas, so zart und behutsam wie der Herzschlag eines sterbenden Zaunkönigs. Elric hatte in seinem Leben schon manche Obszönität erlebt und wurde von nur wenigen Dingen beeindruckt -dieses Gebilde aber, wenn auch äußerlich unscheinbarer als manches andere, was er gesehen hatte, erzeugte ihm einen bitteren Geschmack im Mund. Trotz seines Ekels blieb er an Ort und Stelle, fasziniert von der Maschine in der Schale, bis die Eingangsklappe des gelben Zelts zurückgezogen wurde und Theleb K'aarna erschien.
Der Zauberer aus Pan Tang wirkte bleicher und dünner als in dem Moment, da Elric ihn zum letztenmal gesehen hatte - kurz vor dem Kampf zwischen den Bettlern aus Nadsokor und den tanelornischen Kriegern. Doch eine ungesunde Energie rötete seine Wangen und brannte in den dunklen Augen und verlieh seinen Bewegungen eine nervöse Ruckhaftigkeit. Theleb K'aarna näherte sich der Schale.
Als er näher kam, hörte Elric ihn vor sich hin murmeln.
»Bald, bald, bald«, murmelte der Zauberer.
»Bald wird Elric sterben und alle, die sich mit ihm verbündet haben. Ach, der Albino wird den Tag bereuen, da er sich meine Rache zuzog und mich aus einem Gelehrten zu dem machte, was ich heute bin. Und wenn er tot ist, wird Königin Yishana ihren Fehler einsehen und sich mir hingeben. Wie konnte sie den bleichgesichtigen Anachronismus mehr lieben als einen Mann von meinen großartigen Talenten? Wie nur?«
Elric hatte Theleb K'aarnas leidenschaftliche Liebe zu Königin Yishana von Jharkor beinahe vergessen, die Frau, die mehr Einfluß auf den Zauberer gehabt hatte, als es jede Magie vermochte. Theleb K'aarnas Eifersucht auf Elric hatte aus einem relativ friedlichen Studenten der schwarzen Künste einen rachedurstigen Anwender fürchterlichster Zauberkräfte gemacht.
Elric sah zu, während Theleb K'aarna mit dem Finger komplizierte Muster auf das Glas der Schale zeichnete. Und mit jeder vollendeten Rune nahm der Pulsschlag in der Maschine weiter zu.
Ein seltsam gefärbtes Licht begann durch einige Teile zu strömen und erweckte sie zum Leben. Ein ständiges Dröhnen drang aus der Öffnung der Schale. Ein seltsamer Geruch erreichte Elrics Nase. Der Lichtkern wurde heller und größer, und die Maschine schien die Form zu verändern und wurde zuweilen scheinbar flüssig und schien dann im Inneren der Schale herumzuströmen.
Die goldene Stute schnaubte und begann unruhig zu tänzeln. Automatisch tätschelte Elric ihr den Hals und beruhigte sie wieder. Theleb K'aarna war nur noch eine Silhouette vor dem sich schnell verändernden Licht in der Schale. Er murmelte weiter vor sich hin, doch seine Worte gingen in den Herzschlägen unter, die nun zwischen den Felsen ringsum widerhallten. Seine rechte Hand zog weitere unsichtbare Diagramme auf das Glas.
Der Himmel schien sich zu verdüstern, obwohl der Sonnenuntergang noch mehrere Stunden entfernt war. Elric hob den Blick. Über seinem Kopf schimmerte der Himmel noch immer blau, die goldene Sonne kräftig wie zuvor, doch die Luft um ihn war dunkel geworden, als würde die Szenerie vor ihm von einer einzelnen Wolke verdunkelt.
Theleb K'aarna stolperte zurück, und das seltsame Licht aus der Schale überzog sein Gesicht mit Flecken, seine Augen waren riesig und wirr.
»Komm!« schrie er. »Komm! Die Barriere ist unten!«
Da sah Elric einen Schatten hinter der Schale. Es war ein Schatten, der sogar die große Maschine klein erscheinen ließ. Etwas bellte. Das Wesen war schuppig. Es bewegte sich schwerfällig. Es hob einen riesigen, beweglichen knöchernen Kopf. Es erinnerte Elric an einen Drachen aus den melniboneischen Höhlen, doch der Körper war massiger, und auf dem mächtigen Rücken erhoben sich zwei schwankende Knochenreihen. Das Wesen öffnete das Maul und enthüllte zahlreiche Reihen von Zähnen, und der Boden erbebte, als es um die Schale herumkam und mit dummem,
zornigem Blick auf die winzige Gestalt des Zauberers hinabstarrte. Ein zweites Wesen dröhnte hinter der Schale hervor, und ein drittes - gewaltige Reptilienmonster aus einem anderen Zeitalter der Erde. Im Gefolge zeigten sich jene Wesen, die die Ungeheuer lenkten. Das Pferd schnaubte und tänzelte und versuchte verzweifelt zu entfliehen, doch Elric vermochte es zu beruhigen, während er die Gestalten betrachtete, die nun die Hände auf die gehorsamen Köpfe der Ungeheuer legten. Die Gestalten waren noch
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