Der viel zu schoene Traum
waren mit dem Vorschlag zufrieden, hörten ihrer Gutenachtgeschichte zu und knipsten danach die Nachtleuchten an. Während Ella die Kinder zudeckte, sprachen sie aufgeregt von ihrem Besuch.
Als Ella endlich dazu kam, selbst ins Bett zu gehen, saßen Hawk und Frannie ins Gespräch vertieft über einer Flasche Wein im Wohnzimmer.
Das „Wörtchen”, das Hawk geplant hatte mit Frannie zu reden, dauerte Stunden. Es war eine Qual für Ella, die Stimmen zu hören und das mehrfache helle Gelächter. Am liebsten hätte sie sich das Kissen über den Kopf gezogen, und obwohl sie hundemüde war, fand sie keinen Schlaf.
Dass sie begonnen hatte, sich in diesem Haus tatsächlich zu Hause zu fühlen, war ein so großer Schritt für sie gewesen. Aber diese Geborgenheit drohte jetzt, sich in Nichts aufzulösen. Sie dachte an einen der zahlreichen Schlafräume ihrer Kindheit. Es hatte darin immer nach nassem Teppich gerochen, weil immer irgendwo eine Wasserleitung undicht gewesen war. Der Raum hatte keine Fenster gehabt und im Untergeschoss gelegen. Ihre Hausaufgaben hatte sie im Schein einer nackten Glühbirne machen müssen. Ihre Pflegeeltern waren meistens nicht da gewesen und hatten von ihr erwartet, dass sie auf ihre Kinder aufpasste, die natürlich schöne Zimmer im Obergeschoss hatten.
Als sie nach Wochen, in denen sie sich in den Schlaf geweint hatte, endlich den Mut gefunden hatte, sich bei dem Sozialarbeiter zu beschweren, der für sie zuständig gewesen war, war die Antwort so schlicht wie entmutigend gewesen: Sie solle dankbar sein und den Mund halten.
Später war sie in einem schönen Haus gelandet, bei einem netten Ehepaar, das sogar erwogen hatte, sie zu adoptieren. Ihr Zimmer war hell gewesen, mit einer gelben Blumentapete. Am Fenster hatten weiße Vorhänge gehangen, die im Wind wehten.
Jeden Abend hatte sie sich neben das Bett gekniet und darum gebetet, dass sie dort bleiben könne.
Aber dann war die Frau nach Jahren erfolgloser Versuche endlich schwanger geworden, und sie hatte nur noch dabei helfen können, das Kinderzimmer herzurichten.
Sie hatte doch gelernt, dass Blut dicker war als Wasser, und schalt sich nun für ihre Vergesslichkeit. Dieses Haus war nicht ihr Zuhause und würde es niemals werden. Die beiden Menschen, die zusammen im Wohnzimmer saßen, verband eine gemeinsame Vergangenheit und stammten aus der gleichen sozialen Schicht. Ella passte einfach nicht dazu. Sie war und blieb eine Außenseiterin und tat besser daran, ihr Herz nicht an romantische Spinnereien zu hängen - und auch nicht an zwei liebenswerte Kinder, die sie sofort vergessen würden, sobald ihr Vater wieder jemanden aus seinen eigenen Kreisen zur Frau nahm.
„Zu spät”, schien die Lerche vor Ellas Fenster zu singen. „Zu spät, du Dummerchen …”
10. KAPITEL
Es war nicht so einfach, mit Frannie in einem Haus zu leben.
Ella hatte sich hier mit jedem Tag wohler gefühlt, und jetzt lebte sie immerhin schon fast einen ganzen Monat hier. Aber Frannie schien, es darauf anzulegen, ihr dieses heimische Gefühl zu nehmen und sie auf ihren Platz zu verweisen, indem sie jedes Möbelstück auf Spuren von Staub überprüfte, eine spezielle Kost verlangte oder Ella dafür kritisierte, wie sie mit den Kindern umging. Es kostete viel Energie und Aufwand, sich auf Frannie einzustellen und sie bei Laune zu halten.
Bereits der erste Tag hatte wenig verheißungsvoll begonnen.
„Wärst du so lieb, mir einen Milchkaffee zu machen? Koffeinfrei natürlich, und mit einem Hauch Schlagsahne bitte”, sagte Frannie gleich nach dem Aufstehen zu Ella.
Wie versprochen hatten die Kinder sie bei Tagesanbruch geweckt. Ella hatte den Verdacht, dass Frannie sonst nicht vor Mittag aufstand, aber immerhin rügte die Tante die Kinder nicht für die Unterbrechung ihres Schönheitsschlafs.
Als sie aus ihrem Zimmer kam, wirkte sie wie den Seiten eines Modemagazins entstiegen. Ihr Haar sah aus wie das Sonnenlicht selbst. Ob es von Natur blond war oder hatte sie es gefärbt? Ella strich sich verlegen eine Strähne ihrer Mähne, die die Farbe von Karotten hatte, aus dem Gesicht.
„Ich bringe dir gern etwas von dem Kaffee, der vom Frühstück übrig ist”, erwiderte Ella und legte das Buch beiseite, aus dem sie Billy und Sarah gerade vorlas. Sie ging in die Küche und holte Frannie eine Tasse Kaffee, Milch und einen Croissant.
Frannie rümpfte leicht die Nase. „Danke, Liebes”, sagte sie mit leicht nasalem Ton. Sie knabberte an dem Croissant,
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