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Der viel zu schoene Traum

Der viel zu schoene Traum

Titel: Der viel zu schoene Traum
Autoren: Cathleen Galitz
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verschmähte aber den Kaffee.
    „Oh, bitte sehr.”

    Auch wenn Ella sich bemühte, Frannie als Verwandte zu betrachten, hätte sie manchmal erwürgen können. Frannie trug an diesem Morgen wieder ein Seidenkleid, das so zart war, dass Ella Angst gehabt hätte, es bei der geringsten Berührung zu zerreißen. Ihre eigene Garderobe ließ im Vergleich dazu eine Menge zu wünschen übrig. Abgesehen von den Jeans und T-Shirts, die sie täglich trug - auch wenn Frannie bestimmt einen weißen Kittel erwartete -, besaß sie nur zwei Kleider. Ihre Nachtwäsche beschränkte sich auf weite T-Shirts.
    Frannie unterbrach ihr Frühstück und nahm das Buch zur Hand. „Ich lese weiter vor, wenn du solange vielleicht meine Kleidung aufhängst”, sagte sie mit einer Handbewegung zur Tür, bei der der Brillantring an ihrem Finger aufblitzte.
    Ella war verletzt, aber sie ließ sich nicht anmerken, wie sehr es sie traf, Billy und Sarah auf Frannies Schoß zu sehen. Die Art und Weise, wie die Kinder sich an ihre Tante schmiegten, und die Liebe, die Frannie ihnen entgegenbrachte, schienen aber immerhin echt zu sein.
    Es dauerte über eine Stunde, all die Kleider zu falten und aufzuhängen, die Frannie mitgebracht hatte. Es überstieg zwar selbst Ellas Fantasie, sich Frannie in dem silbernen Paillettenkleid vorzustellen, wie sie durch die Straßen der kleinen Stadt Backwater lief, aber sie konnte nicht anders, als sich damit kurz vor den Spiegel zu stellen. Seufzend hängte sie es auf einen Bügel. An Frannies supergertenschlankem Körper sah es sicher besser aus als an ihr. Das Preisschild verriet ihr nicht nur, dass das Kleid noch nicht getragen war, sondern auch, dass es mehr gekostet hatte, als sie für ihre gesamte Garderobe ausgegeben hatte.
    Später packte sie ein Picknick für die Kinder und sich zusammen und hoffte, dass Frannie darauf verzichten würde, sie zu begleiten. Sie freute sich darauf, eine Weile ohne sie zu verbringen, aber Frannie schlug vor, sie solle sich ein wenig Zeit für sich nehmen und nahm damit unaufgefordert ihren Platz ein.

    Sie hatte sogar das Seidenkleid gegen eine schicke Cordhose und einen Angorapullover eingetauscht, um mit den Kindern nach draußen zu gehen.
    Hawk begleitete die drei, und Ella nahm ihr Sandwich wütend mit auf ihr Zimmer, wo sie an einem Bild arbeitete. Sie malte eine böse Königin, die nicht ganz zufällig blond und supergertenschlank war …
    Das Abendessen war anstrengend. Frannie bestand darauf, dass Ella im Esszimmer deckte, statt wie üblich in der Küche, und sie verlangte nach dem guten Porzellan.
    „Warum sollte man es für besondere Gelegenheiten aufheben?” bemerkte sie und gestikulierte lebhaft. Jeder Tag schien für sie ein Fest zu sein. „Da, wo wir herkommen, ist Ästhetik genauso wichtig wie das Essen selbst.”
    „Aha”, sagte Ella. „Wir” schien sich auf Hawk und Frannie selbst zu beziehen. Ihr gefiel es wenig, derartig belehrt zu werden. „Da, wo ich herkomme, ist es nur wichtig, überhaupt etwas zu essen zu haben.”
    Frannie wirkte frappiert von dieser Vorstellung. Während des gesamten Essens ließ sie Ella andauernd aufspringen und noch etwas holen.
    „Weißt du, Liebling”, sagte sie zu Hawk, „du solltest aufpassen, dass deine Kinder hier draußen nicht total verwildern.”
    Das Wort „Liebling” war wohl platziert und schnitt Ella mitten ins Herz. Sie schnitt wütend an ihrem Stück Braten herum.
    Eigentlich hatte sie einen Braten zubereiten wollen, aber Frannie war entsetzt gewesen von der Zumutung, ein so bäuerliches Mahl zu sich zu nehmen, und Ella hatte sich ein passenderes Mahl überlegen müssen.
    Sie hatte noch nie jemanden getroffen, der die Nase über einem Braten mit Kartoffeln und Gemüse rümpfte, aber sie hatte ja auch noch nie jemanden wie Frannie getroffen. Wie immer machte ihr Gast süßliche Komplimente, aber ihre Körpersprache verriet, dass sie sich fühlte, als säße sie mit einem Haufen Holzfäller am Tisch.
    „Versteh mich nicht falsch”, fuhr sie fort. „Ich finde es keineswegs langweilig hier. Dein Haus hat sehr viel Charme, und ich verstehe, warum du die Kinder aus ihrer vertrauten Umgebung gerissen und hier in diese Idylle gebracht hast. Aber sie wachsen hier vollkommen isoliert auf. Und ihre Umgangsformen, die Lauren so wichtig waren, werden notgedrungen darunter leiden.”
    Ella knirschte innerlich mit den Zähnen, verzichtete aber darauf, Frannie zu erzählen, dass die Kinder bald in die Schule kommen, und
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