Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)
Erwartung, sein Zögern, sie mit den Händen zu bedecken, machten sie über die Maßen glücklich. Sie hatte diese letzte Schranke nie gekannt. Jetzt konnte sie dabei zusehen, wie sich die Schranke hob, Zentimeter um Zentimeter.
Sie löste die Knöpfe seines Pyjamas und zog Johan an sich. Sie küssten sich wieder, viele Male, damit es kein Zurück mehr gab. Dann sanken sie auf die Decke.
Sie nahmen mehrere Anläufe. Ihre Bemühungen wurden nicht belohnt. Das Glück zerfloss.
Es lag nicht an ihr, wurde Johan nicht müde zu versichern.
Das sei doch nicht schlimm, beteuerte Valerie.
Seine Küsse wurden schal, die Liebesbezeugungen mechanisch. Nach einer Weile gaben sie es auf. Sie waren zu enttäuscht, um einfach nur aneinander geschmiegt liegen zu bleiben. Und zu aufgewühlt, um sich in den Schlaf fallen zu lassen. Es war genug.
Bevor er ging, legte sie ihm ihren Wintermantel um die Schultern. Er betrat das Treppenhaus und wusste nichts zu sagen.
Jedes weitere Wort wäre jetzt zu viel, dachte sie. Dann bemerkte sie, dass Johan immer noch barfuß war.
»Warte«, sagte sie und eilte ein Stockwerk nach unten. Vor Goodens’ Tür standen mehrere Paar Schuhe. Kurz entschlossen nahm sie die braunen Wanderstiefel, die immer in der Ecke standen. Sie waren Johan einige Nummern zu groß, erfüllten aber ihren Zweck. Dann holte sie eine schwere Stabtaschenlampe aus ihrer Wohnung und drückte sie ihm in die Hand. Sie küssten sich flüchtig wie ein Ehepaar, das sich am Anfang eines Arbeitstages verabschiedete.
Die Taschenlampe erwies sich als überflüssig, Gunter war verschwunden. Ich hasse dich, sagte Johan zu Marta, als er nach Hause stapfte. Wo bist du, wenn ich dich hasse? Er bekam keine Antwort.
Niedergeschlagen richtete er das Teleskop auf Valeries Schlafzimmer. Sie hatte einen Werkzeugkasten geholt und baute ihr Ehebett ab. Als sie damit fertig war, wickelte sie sich in die Decke auf dem Boden und weinte hinein.
Marta sagte nichts. Das konnte sich jederzeit ändern. Er legte sich schlafen. In seinen Träumen konnte er Johan bleiben.
»Bis morgen«, rief Heide. Paul gab Gas und brauste mit der BMW die Moltkestraße hinunter, um seine Nachtschicht anzutreten. Im Winter waren die Motorradstaffeln der Polizei nur so lange im Einsatz, wie es die Straßenverhältnisse zuließen. Doch Paul und einige wenige andere fuhren das ganze Jahr über und ließen das Motorrad höchstens bei extremer Glätte oder geschlossener Schneedecke stehen.
Sie hatten Christian Tiedke gerade noch an seiner Haustür erwischt, bevor er mit seiner Freundin zu einer brasilianischen Dance Night gehen wollte. Wie ein Rockmusiker wirkte er nicht gerade, obwohl er lange Haare hatte. Er trug betont sportliche Freizeitkleidung. Unter seiner Skijacke war ein Hemd mit einem bunten Ethnomuster zu erkennen. Seine Wohnung in der Nähe der Alten Feuerwache machte einen kargen Eindruck, Tiedke besaß nicht viele Möbel. Er gab an, bei den Kölner Verkehrs-Betrieben angestellt zu sein. Von Lübben und Materlink hatte er bereits gehört.
Heide ging mit ihm in eine Imbissstube an der Ecke und bestellte eine doppelte Portion Fritten. Nach zwei Stunden mit Paul hatte sie einen Bärenhunger. Sie standen an einem Stehtisch, Tiedkes Freundin hielt sich abseits. Die Anwesenheit einer Kommissarin war ihr unangenehm. Sie hielt nicht viel von der Staatsmacht, seit sie bei einer Studentendemo wegen Beamtenbeleidigung in Gewahrsam genommen worden war.
Tiedke wollte seine Beunruhigung nicht zeigen. »Was habe ich mit diesen Morden zu tun?«
»Das fragen wir uns auch.«
»Ich mache keine Musik mehr. Das war eine … Phase.«
»Eine gute oder eine schlechte?«
Er zögerte. »Wie man’s nimmt.«
»Eine, an die Sie ungern erinnert werden möchten«, stellte Heide fest und nahm ihren Frittenberg entgegen. »Möchten Sie wirklich kein Bier?«
Tiedke warf einen Blick zu seiner Freundin. Den dritten in kurzer Folge. »Ich glaube nicht.«
»Sie haben Keyboard gespielt. Ist das eigentlich schwierig?«
»Kommt drauf an.«
Heide trank einen Schluck Kölsch aus der Flasche. Die Marke stand in üblem Ruf, aber das Bier war stark gekühlt. Es weckte ihre Lebensgeister und schenkte ihr Geduld mit diesem Weiß-nicht-Typ, der jede Meinungsforscherin zur Verzweiflung treiben würde.
»Wie war es denn für Sie? «
»Was?«
»Keyboard zu spielen. Fiel es ihnen leicht?«
»Eigentlich schon. Wenn man die Programmierung begriffen hat, ist es ein Kinderspiel.«
»Sind das
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