Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)
nicht schrecklich viele Tasten?«
»Davon braucht man ja nur ein paar.«
»Aha.« Die Fritten waren labberig. Dafür enthielt das Ketchup so viel Zucker wie ein Kasten Cola. Heide nahm sich welches nach.
»Bei den meisten Bands ist das Keyboard ein Begleitinstrument«, fuhr er fort.
»Und bei Barbarossa?«
»Ein paar Akkorde pro Stück, das war alles. Die Soundeffekte waren kniffliger. Aber mit etwas Übung lässt sich jedes Geräusch entsprechend abmischen.«
»Von welchen Geräuschen sprechen Sie?«
»Hammerschläge. Autocrashs. Wolfsgeheul. Kriegt man alles auf CD.«
»Klingt nicht nach der Kleinen Nachtmusik. «
Er schüttelte den Kopf und schaute betreten zu Boden.
»Hatten Sie Spaß an der Sache?«
»Anfangs schon. Damals hatte ich diese Schmusenummern satt, die man immer im Radio hört. Manchmal muss man dagegenhalten.«
Heide nickte. »Allen mal zeigen, wo’s langgeht. Das Gefühl kenne ich.«
»Ich war nur zwei Jahre dabei. Auch wenn Jef nicht gestorben wäre, hätte ich bald damit aufgehört. Das Ganze wurde mir zu aggressiv.«
»Die Musik.«
»Die Musik, die Texte, einfach alles.«
»Auch der Umgang untereinander?«
»Eine Rockband ist kein Mädchenchor.« Er lachte, als hätte er den Witz schon öfters zum Besten gegeben. Dann verstummte er. »Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Wir hielten zusammen wie Pech und Schwefel. Ich kann mir nicht vorstellen –«
»Hatten Sie keine Feinde? Leute, die sich an Ihrer Art von Musik gestört haben?«
»Es gibt genug Idioten. Unsere Auftritte waren … umstritten. Hin und wieder kam es zu einer Schlägerei. Aber das ist doch kein Grund, jemanden umzubringen.«
»Kommt drauf an«, gab Heide mit seinen Worten zurück. »Wissen Sie, was Sie mit Ihrer Musik ausgelöst haben? Bei den Idioten, wie Sie sagen?«
»Das ist jetzt vorbei.«
»Ist es nicht. Sie können das nächste Opfer sein. Das ist Ihnen doch klar?«
»Ja, verdammt!«, brach es aus ihm hervor. »Aber was soll ich denn machen?«
»Sie müssen vorsichtig sein, vor allem nachts. Bleiben Sie in Gesellschaft, wenn Sie ausgehen wollen.«
»Toller Ratschlag. Wollen Sie mich nicht unter Polizeischutz stellen?«
»Das wird an höherer Stelle entschieden«, wich Heide aus. »Ihre Wohnung haben wir jedenfalls im Auge.« Paul hatte zugesichert, auf seiner Streife regelmäßig nach dem Rechten zu sehen. Das war besser als nichts.
»Wie lange dauert das denn noch?«, wollte Tiedkes Freundin wissen.
»Bis wir den Mörder haben, der Ihrem Freund auflauern könnte«, sagte Heide, ohne sich umzudrehen. »Wo finde ich Gunter Aalund?«
Tiedke gab ihr eine Adresse, unter der Aalund seit mehreren Monaten nicht mehr gemeldet war. Das wusste Heide bereits. Von Aalund hatte sie nur ein paar Fotos auf einer Internetseite gefunden.
»Vielleicht ist er in eine andere Stadt gezogen. Ich habe ihn lange nicht gesehen.«
»Waren Sie nicht befreundet?«
»Mit Gunter? Nein, danke.«
»Haben Sie sich zerstritten?«
Er hob die Hände. »Es lief nicht besonders gut mit der Band. Da kann man nicht erwarten, dass sich alle in den Armen liegen.«
»Wer konnte wen nicht leiden?«
»So war das nicht gemeint. Musiker streiten sich dauernd, auch ohne Anlass.«
»Welchen Beruf übt Aalund aus?«
»Was weiß ich? Wir haben zusammen gespielt, das ist alles. Keine Ahnung, wo er stecken könnte.«
Ein ähnlicher Fall wie Lübben, dachte Heide. Bloß keine Spuren im bürgerlichen Leben hinterlassen. Aalund konnte jedoch auch ganz andere Gründe haben, sich verborgen zu halten: die beiden Toten. Es sah so aus, als hätten sie jetzt einen Hauptverdächtigen.
Als sie die Imbissstube verließen, standen drei Polizeiwagen vor Tiedkes Haus. Woytas unterhielt sich gerade mit einem Mieter. Er hatte mehrere Bereitschaftspolizisten und einen Rammbock dabei.
»Möglich, dass Sie jetzt alles noch einmal erzählen müssen«, sagte Heide.
»Das glaub ich einfach nicht.« Tiedkes Freundin hatte genug. »Ich weiß ja nicht, was du noch vor hast, Chris, aber mir stehen die Bullen bis hier. Ich gehe jetzt tanzen.« Damit ließ sie Tiedke stehen. Er schaute ihr unentschlossen hinterher.
»Da haben Sie Ihren Polizeischutz.« Heide hatte sich für Woytas eine ganze Palette von Erklärungen zurechtgelegt. Gegen etwas Flankensicherung konnte er offiziell keine Einwände erheben. Die Polizisten mit dem Rammbock verschwanden in dem Hauseingang. Sie gab Tiedke einen Stups. »Lassen Sie Ihre Freundin lieber allein tanzen gehen. Sonst
Weitere Kostenlose Bücher