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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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aus.
    Der Dozent zog die Lamellenjalousie zu und schaltete die Deckenbeleuchtung ein. »Ihr habt fünfzehn Minuten Zeit. Dann tauscht ihr die Blätter und verbessert das Bild eures Nachbarn.«
    Katharina wechselte einen Blick mit Raupach. Er nickte zustimmend.
    Die Knotenpunkte des Geästs bildeten den ersten Schritt. Erst danach widmete sich Raupach der Linienführung und legte die Gestalt des Baumes fest. Als er bei der Dicke der Äste angekommen war, klingelte sein Handy. Er entschuldigte sich und ging in den Pausenraum.
    »Wehe, wenn sie losgelassen«, sagte Photini.
    »Mach’s kurz, Fofó. Ich bin mitten in einer Übung.«
    »Bei deinen Gehirnakrobaten?«
    »Ja, es läuft ziemlich gut heute.«
    »Errötend folgt er ihren Spuren. Das hast du doch kürzlich gesagt.«
    »Kann sein«, erwiderte er. »Was gibt’s denn?«
    »Schiller. Die Glocke. In den Vernehmungsprotokollen seit 1992. Ich habe fünfzehn prägnante Übereinstimmungen gefunden.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Such dir einen Stuhl und hör mir zu, Raupach. Ich sage das jetzt nicht zweimal. Der Kaffee ist alle. Mir fallen gleich die Augen zu, wenn ich noch länger auf den Bildschirm starre.«
    »Sag bloß, du bist im Archiv?«
    »Als junge Hoffnung der Kölner Polizei versuche ich, den Erwartungen gerecht zu werden.«
    »Bravo.« Er lachte.
    »Also habe ich alle Gedichtzeilen der Glocke durch den Computer laufen lassen. Ist umständlicher, als es sich anhört. Wir könnten hier unten eine Tippse gebrauchen.«
    »Aber dafür brauchst du doch eine Ewigkeit.«
    »Ich bin schon fertig. Hörst du mir nicht zu?«
    »Doch, doch.« Raupach war immer noch von der Zeichenübung abgelenkt. »Schieß los.«
    » Wo rohe Kräfte sinnlos walten. Das stammt auch aus der Glocke. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Zeilen des Gedichts zu allgemeinen Redewendungen geworden sind. Im Grunde sprechen wir dauernd in Zitaten.«
    »Und du hast diese Zitate mit unserer Datenbank abgeglichen.«
    »Anzeigen, Vernehmungen, Zeugenaussagen. Manchmal habe ich den Wortlaut etwas verändert. Einige Gedichtzeilen sind für den Sprachgebrauch auch nicht relevant, die habe ich mir gespart.«
    »Ein schlüssiges Verfahren.«
    »Es ist etwas unzuverlässig, weil es auf die Gewissenhaftigkeit des Protokollführers ankommt. Aber wir müssen mit dem Datenbestand arbeiten, den wir haben.«
    »Fünfzehn Übereinstimmungen, habe ich das richtig verstanden?«
    »Genau. Vierzehn mehr oder weniger belanglose Phrasen. Und ein Volltreffer.«
    »Wie kommst du darauf?«
    » Einen Blick nach dem Grabe seiner Habe sendet noch der Mensch zurück. Das ist aus einer Zeugenaussage von einem 23. Dezember.«
    Raupach horchte auf.
    »Vor vier Jahren wurde eine 28-jährige Frau namens Marta Tobisch vor die einfahrende U-Bahn gestoßen. Linie 15 am Rudolfplatz, während der abendlichen Rushhour. Der Täter war ein junger Mann mit südeuropäischem Aussehen, wie es so schön heißt. Er verschwand in der Menge und wurde nie gefasst.«
    »Wer hat die Aussage gemacht?«
    »Ein Student. Er wartete auf die U-Bahn. Es war damals schwer, zuverlässige Zeugen zu finden. Die Leute wollten alle etwas anderes gesehen haben, es gab jede Menge Widersprüche. Am besten, du schaust dir das Protokoll selber an.«
    »Gib mir zwanzig Minuten, dann bin ich bei dir.«
    Photini gähnte. Nachdem sie ihre Entdeckung losgeworden war, traf sie die Müdigkeit wie ein Axthieb im Nacken. »Tut mir Leid, aber so lange halte ich nicht mehr durch. Ich lege den Ausdruck auf deinen Schreibtisch.«
    »Willst du nicht mein dummes Gesicht sehen, wenn du mir die Akte präsentierst?«, witzelte er. Dann fiel ihm ein, dass es Photini zuzutrauen war, seit der Weihnachtsfeier nicht mehr zu Hause gewesen zu sein. Dann hatte sie zwei Tage und vermutlich auch die Nächte durchgearbeitet.
    »Heb’s dir für morgen früh auf, Raupach.« Sie legte auf.
    Er ging in den Übungsraum zurück und meldete sich bei dem Dozenten ab. Im Vorbeigehen sah er, dass Katharina den gleichen Baum wie er gemalt hatte. Er reichte ihr sein Blatt.
    »Nächste Woche wird aber nicht gekniffen«, sagte sie.
    »Abgemacht.«

    »Reife Leistung.« Heide studierte nochmals die Unterlagen. »Schiller. U-Bahn. 23. Dezember. Das ergibt einen Sinn. Dieser Student könnte uns weiterbringen.«
    »Gestern Mittag fischten wir noch im Trüben. Und jetzt haben wir gleich zwei heiße Spuren.« Raupach saß auf dem Beifahrersitz und zündete sich die letzte Zigarette an, die Heide aus

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