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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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Mädchen einen Wink, still zu sein. Dann baute er sich vor Photini auf. Er war einen halben Kopf größer als Raupach, wirkte aber ungelenk und seltsam unproportioniert, wie das Teenager häufig tun.
    »Was hast du eben gesagt?« Er versuchte, bedrohlich zu klingen. Seine Freunde nahmen neben ihm Aufstellung. Die übrigen Eisläufer machten einen Bogen um die Jungen.
    »Bist du schwer von Begriff?«, fragte Photini. »Soll ich’s über die Lautsprecheranlage ausrufen lassen?«
    »Du hast ’ne große Klappe.« Sein Atem roch nach Glühwein.
    »Und dir gehört der Hintern versohlt. Ich würd’s ja gerne selber machen, aber dann kriegen sie mich wegen Kindesmissbrauchs dran.«
    Das konnte der Junge nicht auf sich sitzen lassen, befürchtete Raupach. Photini überspannte den Bogen mal wieder. Jetzt legte sie sich schon mit Halbwüchsigen an.
    Der Junge steckte den Mittelfinger in den Mund, lutschte genüsslich daran, zog ihn heraus und hielt ihn Photini vors Gesicht. »Fang lieber damit an.« Die beiden anderen lachten.
    »Mach das nicht noch mal«, entgegnete Photini leise.
    Raupach kannte den drohenden Unterton in ihrer Stimme. Wenn sie die Beherrschung verlor, würde es Verletzte geben, das Eis war hart. Er legte eine Hand auf ihre Schulter. »Komm weiter«, raunte er ihr zu. Er versuchte, sich möglichst vorsichtig zu bewegen, damit er nicht wieder ausrutschte.
    »Was geht den alten Sack das an? Der soll sich verpissen!«
    »Hast du einen Namen?«, fragte Raupach.
    »Halt’s Maul!«
    »Warum sagst du ihn mir nicht? Ich würde gerne wissen, mit wem ich es zu tun habe.«
    Normalerweise beruhigte seine feste Stimme die Menschen. Sie war nicht einschüchternd. Das half ihm, wenn er mit jemandem ins Gespräch kommen wollte.
    »Mio«, sagte einer der anderen Jungen. »Er heißt Mio.«
    Mio bedachte seinen Freund mit einem strafenden Blick. Photini schaute Raupach ungläubig an und wollte etwas sagen. Er nahm sie in den Arm.
    »Dann hast du sicher nichts dagegen, Mio, wenn wir an diesem wunderbaren ersten Advent noch ein paar Runden drehen.« Raupach veränderte die Position eines Schlittschuhs, kam aus dem Gleichgewicht und fing sich dann wieder. »Ohne auszurutschen, verstehst du?« Er lächelte. »Wie kriegt ihr das eigentlich hin? Seid ihr jeden Tag hier?«
    In Mio arbeitete es. Was hatte dieser Clown vor? Er zögerte, wusste nichts zu entgegnen. Hilfe suchend schaute er zu seinen Freunden.
    Eines der Mädchen kam hinzu. Sie trug Ohrwärmer aus rosa Plüsch, ein kurzes Röckchen, wie Raupach verwundert registrierte, und eine Netzstrumpfhose. Ihre dick aufgetragene Schminke und die schwarz lackierten Fingernägel konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie noch ein Kind war.
    »Die Frau ist hingefallen, Mio. Sie ist wütend. Das wärst du auch.« Das Mädchen nahm ihn an der Hand und zog ihn mit. »Lass uns was trinken.«
    Mio setzte sich widerstebend in Bewegung. »Komm mir bloß nicht in die Quere«, sagte er zu Photini. Dann machte er eine wegwerfende Handbewegung und fuhr davon.
    Raupach gab Photini einen Knuff. Sie knuffte zurück, sagte aber nichts. Ihr Gesichtsausdruck hätte den Rhein zum Gefrieren gebracht.
    Als sich die Teenager entfernten, drehte sich das Mädchen noch einmal um. Raupach erwiderte ihren Blick. Er sah eine Mischung aus Triumph – und Angst.
    Luzius stand an seinem Platz neben der Säule. Es war ein guter Platz. Er konnte die meisten Gäste schon von weitem sehen und die wichtigsten Faktoren mit einem einzigen Blick erfassen. Er registrierte: Zustand, Benehmen, Alter, Kleidung, Nutzen. In dieser Reihenfolge.
    Zwei Mädchen. Zustand: leicht angetrunken. Benehmen: von oben herab. Alter: Anfang zwanzig. Kleidung: Designermode aus zweiter Hand. Nutzen für den Club: dekorativ.
    Während er die Kordel aufhakte und die beiden durchließ, hatte er seine Entscheidung über die nächsten Gäste in der Reihe bereits getroffen. Er bezeichnete alle Menschen, die in den Bass Club wollten, als Gäste. Einige von ihnen waren unerwünscht, manche nur für einen Abend, andere auf längere Sicht. Aber sie waren und blieben Gäste.
    Luzius hakte die Kordel wieder zu. Er kannte keine Vorurteile. Der Club stand jedermann offen. Am Wochenende kostete der Eintritt zehn Euro, unter der Woche sechs. Nestor saß hinter der Empfangstheke und kassierte das Geld. Daneben lag die Garderobe, um die sich Dina kümmerte. Es passierte selten, dass jemand bis zu Nestor vordrang und Ärger machte. Luzius sonderte die

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