Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)
mit vollem Aufgebot angerückt, allein schon wegen der Medien. In einem Einsatzwagen führte er ein Telefonat. Dann widmete er sich seinen ungebetenen Gästen.
»Was suchen Sie hier, Raupach?«
»Ich versuche, auf dem Laufenden zu bleiben. Meine Mitarbeiterin, Frau Dirou –«
»Ich habe gerade mit dem Polizeipräsidenten gesprochen.« Woytas hielt sein Handy noch in der Hand. Er machte es kurz. »Sie sind bis auf weiteres suspendiert.«
Raupach rang um Worte.
»Mit welcher Begründung?«, fragte Heide.
»Ihre Kontakte zu den Medien sind zu gut. Wenn Sie möchten, können Sie sich Ihrem Kollegen anschließen, Frau Thum. Haben Sie schon über eine vorzeitige Pensionierung nachgedacht?«
»Das würde Ihnen so passen.« Heide baute sich vor Woytas auf. Sie war einen Kopf kleiner. »Springen Sie endlich über Ihren Schatten, Woytas. Wir könnten Ihnen helfen, wenn Sie nicht so verdammt ehrgeizig wären.«
»Dirou übernimmt das Archiv. Sie sind abgemeldet, Raupach. Wie ich hörte, malen Sie neuerdings. Dazu haben Sie jetzt jede Menge Zeit.«
»Sehen Sie hier irgendeine Spur?«, fragte Raupach.
»Was soll das?« Woytas zückte sein Handy.
»Habt ihr schon irgendetwas gefunden?«, rief Raupach den Kollegen von der Spurensicherung zu. Einige kannte er, seit er bei der Polizei war. Sie schüttelten den Kopf. »Wenn eine Spur verlischt, wird ein neuer Gedanke geboren«, sagte er zu Woytas und rührte sich keinen Zentimeter von der Stelle.
»Bleiben Sie mir vom Leib mit ihren törichten Sprüchen. Gehen Sie nach Hause.« Woytas drehte sich um und stapfte davon. »Und geben Sie Ihre Dienstwaffe ab!«, rief er.
»Ich habe keine«, murmelte Raupach und blieb, wo er war. Er stand auf einem Rasenstück, an das die Flammen nicht herangereicht hatten. Der Boden war holprig, als habe ihn jemand mit einer Harke bearbeitet. Raupachs Fuß bedeckte einen runden schwarzen Fleck. Er holte ein Plastikröhrchen aus der Innentasche seiner Jacke und schob es in den Ärmel. Dann kniete er sich hin und gab vor, seine Schuhe zu binden.
Luzius bog vom Militärring in die Hugo-Eckener-Straße ab, Richtung Autobahnkreuz Köln-Bickendorf. Seine Fahrweise war für den Wagen überaus schonend. Wenn er den roten Passat seiner Mutter bewegte, achtete er darauf, den Verschleiß möglichst gering zu halten. Er gab nur behutsam Gas, vermied plötzliche Manöver und benutzte die Motorbremse, um die Geschwindigkeit zu drosseln. Inspektionen führte er selbst durch, rostige Stellen in den Radkästen und an der Heckklappe behandelte er mit Mennige. Solange das Auto lief, stellte er sich vor, würde es Berta gut gehen, ihrem fortgeschrittenen Alter entsprechend.
»Kannst du nicht schneller fahren?«, fragte Sheila.
»Ich halte mich an die Geschwindigkeitsbegrenzung.«
»Alle fahren schneller. Sogar der Bus.«
»Wir dürfen nicht auffallen.« Luzius wandte den Blick nicht von der Fahrbahn. Die niedrig stehende Sonne fiel von rechts in den Innenraum. Ein Lichtreflex auf dem Armaturenbrett.
»Na eben. Also fahr schneller, sonst fallen wir auf.«
»Ich fahre. Du beobachtest. Lenk mich nicht ab.«
»Okay, okay.« Sheila gab es auf. Sie trug eine Wintermütze aus schwarzem Fleece und Valeries Sonnenbrille, die sie bereits in der Bäckerei aufgehabt hatte. Die Tarnung war perfekt gewesen. Chris hatte sie nicht erkannt. Als er den Laden verlassen wollte, war es an Luzius, seinen Part zu erfüllen. Ein Rempler, Chris musste den Kaffeebecher auf einem Stehtisch abstellen, damit er nicht das Gleichgewicht verlor. Während des kurzen Wortwechsels zwischen den beiden Männern tauschte Sheila die Becher aus.
Niemand in dem Laden hatte etwas gemerkt. Auch Chris nicht. Alles war genau so abgelaufen, wie sie es geplant und zumindest im Ansatz geübt hatten. Sheila und Luzius hatten den Trick mit einer traumwandlerischen Sicherheit aufgeführt. Anfangs war Sheila sehr aufgeregt gewesen. Luzius hatte sie beruhigt und war den Ablauf noch einmal mit ihr durchgegangen. Schritt für Schritt war ihre Nervosität dann einer merkwürdigen Gewissheit gewichen. Chris war ihr vorgekommen wie ein Tier, das schon durch einen simplen Wink, einen Zuruf abzulenken war. Leicht zu beeinflussen, berechenbar.
Wann die Wirkung des Mittels genau einsetzte, hatte nicht in ihrer Hand gelegen. Ein oder zwei Schlucke genügten. Es würde fünf bis zehn Minuten dauern, das hatte Luzius ihr versichert. Die Frage war, wann Chris von dem Kaffee trank. Wenn er es noch in der Bäckerei
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