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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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Bilder sind eine Sprache, die jeder versteht.« Photini sekundierte Jakub. Sie kannte seine Schlussfolgerungen bereits.
    »Trotzdem war Marta in der Beziehung zu Johan dominierend. Sie war der aktive Partner.«
    »Wohin führt uns das?«, fragte Heide gereizt. Sie hatte eine Menge Bedenken gegen diese akademische Kaffeesatzleserei. »Angenommen, Johan Land steckte sich mit Borderline an, wenn ich das richtig verstanden habe. Warum zieht er dann los und verübt Brandanschläge?«
    »Unterschätzen Sie nicht Marta, die induzierende Person«, wandte Jakub ein. »Wir wissen wenig über ihre Erkrankung, schon gar nicht, wie sie sich in den letzten zehn Jahren entwickelt hat. Schizoide Züge besaß sie bereits als Jugendliche, das geht aus der Breslauer Akte hervor. Bei Folie à deux leidet der aktive Partner häufig an paranoider Schizophrenie, an Ichstörungen und Sinnestäuschungen.«
    »Paranoia?« Raupach wunderte sich. »Wie erklären Sie sich dann diese Videoaufnahmen? Ich meine, die Bänder wirken doch so, als wollte sie die Menschen … umarmen?«
    »Du bist ein hoffnungsloser Idealist, Klemens.« Heide beschloss, sich das erste Kölsch des Tages zu genehmigen. Die bereitstehenden Getränke, die Himmerich mit den besten Wünschen geschickt hatte, waren bislang unberührt geblieben. Heide hatte sich für ihren Geschmack schon zu lange zurückgehalten.
    »Mit Fotos oder Filmen kann man Menschen auch ›abschießen‹«, fuhr sie fort. »Man kann jemanden im Bild ›bannen‹, all die bösen Fremden, die gegen einen sind. Marta Tobisch könnte den Plan gehabt haben, alle auszulöschen.«
    »Du übertreibst«, sagte Raupach. »Die Frau ist tot. Sie war krank. Wir können ihr nicht die ganze Schuld zuschieben. Abgesehen davon, dass es hier gar nicht um Schuld geht.«
    »Sondern um Ursache und Wirkung.« Heide kostete von dem warmen Bier und verzog das Gesicht.
    »Die Wirkung ist mir noch nicht klar«, schaltete sich Effie ein. »Warum konnte Johan Land einem ganz normalen Beruf nachgehen, wenn er infiziert war?«
    »Das ist genau das Problem bei Folie à deux«, sagte Jakub. »Bei dem passiven Partner liegen häufig keine formalen Denkstörungen vor, kein Depersonalisation wie beim aktiven Partner. Deshalb funktioniert Johan im Alltag, er fällt nicht auf. Von seinen Kollegen wissen wir, dass er seinen Tagesablauf extrem ritualisiert hat. Er ist überpünktlich, wirkt kühl, ungesellig.«
    »Das kann ich bestätigen«, sagte Raupach. »In der Buchhandlung war er zuerst sehr entgegenkommend und hat sich dann immer mehr zurückgezogen. Als wir später mit ihm geredet haben«, er wies auf Heide, »war er ausgesprochen freundlich. Allerdings machte er die eine oder andere merkwürdige Bemerkung. Fofó hat ihn dann wieder ganz anders erlebt.«
    »Er war in der Defensive, musste sich zu jeder Antwort zwingen«, sagte Photini.
    »Was auch an deiner Vernehmungstechnik liegen kann«, stichelte Heide.
    »Unberechenbares Verhalten weist auf schizoide Züge«, sagte Jakub.
    »Ich bin auch unberechenbar.« Heide gab nicht auf.
    Jakub nahm sich auch ein Kölsch. Dieser Vortrag ging ihm an die Nieren, sein Mund fühlte sich völlig ausgetrocknet an. Er hatte das Gefühl, jemanden ans Messer zu liefern, der für sein Handeln nicht voll verantwortlich war. »In Johan Lands Leben gab es Verstärkungseffekte«, begann er wieder. »Der Tod seiner Frau am 23. Dezember vor vier Jahren. Vor einem Jahr dann der Brand in der Buchhandlung. Das könnte eine Wahnmühle in Gang gesetzt haben.«
    »Wie bitte?«, fragte Heide.
    »Letztlich geht es um Einsamkeit.« Jakub öffnete die Flasche und nahm einen langen Schluck. Die anderen warteten. »Marta suchte sich einen Partner, der sie vor der völligen Isolation bewahrte, indem er ihre Wahnideen teilte – woraus auch immer diese Wahnideen bestanden.«
    »Zum Beispiel?«, fragte Raupach.
    »Ich will nicht wild spekulieren, aber nehmen wir die U-Bahn-Passagiere, die Marta Tobisch aufgenommen hat. Vielleicht stellten die Leute für sie eine Bedrohung dar. Sie sah nicht viele verschiedene Menschen, sondern nur Köpfe. Irgendwann verdichteten sich die Köpfe zu einem großen Kopf. Der sie anstarrte – oder überall und nirgends hinschaute. Durch ihre Videos versuchte Marta Tobisch die Gefahr zu bannen.«
    »Ganz meine Meinung«, sagte Heide. »Und wie kommt Johan Land ins Spiel?«
    »Er hatte die Wahl«, fuhr Jakub fort. »Land konnte Martas abstruse Ideen ablehnen und die Beziehung dadurch

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