Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)
sei die Tatsache zu berücksichtigen, dass trotz moderner Ermittlungsmethoden fast zwei Drittel aller Brandstiftungen unaufgeklärt blieben.
Das löste Unmut und noch mehr Fragen aus. Raupach blieb hart. Johan Lands tragische Geschichte ging die Medien nichts an. Trotz allem besaß der Mann eine Privatsphäre.
»Wo wird der Feuerteufel als Nächstes zuschlagen?«, fragte die Zeitungsreporterin. »Vor dem 23. Dezember hat er ja noch jede Menge Gelegenheiten.«
»Das wissen wir nicht«, antwortete Raupach und verschwieg seine Vermutung. Er glaubte, den Ort und den genauen Zeitpunkt des Anschlags zu kennen: am 23. Dezember um 18 Uhr 33 in der U-Bahn-Station Rudolfplatz. Die Todesdaten von Marta Tobisch.
»Hat er sich vielleicht ins Ausland abgesetzt?«
»Unwahrscheinlich. Wir haben die Fahndung zeitig rausgegeben. Wahrscheinlich ist er noch in Köln.« Raupach wollte den Menschen keinen Sand in die Augen streuen. Die Gefahr war virulent, wie Jakub sagen würde. Er nickte Woytas zu und schickte sich an, die Veranstaltung zu beenden.
»Stimmt es, dass Ihnen Johan Land knapp entwischt ist?« Küchler war seit kurzem nicht nur für den Express, sondern auch für das neue Crime-Magazin eines Privatsenders tätig.
»Ja.«
»Sie hatten diesen Verrückten also im Fadenkreuz und kamen einfach … zu spät?«
»Er hat nicht auf uns gewartet.«
Niemand lachte.
»Herr Kommissar, es ist allgemein bekannt, dass Sie vor drei Jahren einen flüchtigen Verdächtigen erschossen haben. Das hat Sie in eine persönliche Krise gestürzt. Könnte es sein, dass Sie seither zu einer gewissen Ängstlichkeit neigen?«
Küchler machte eine bühnenreife Pause. Nur das Surren der Fernsehkameras war zu hören. Die Fotografen schraubten an ihren Objektiven.
»Anders gesagt«, fuhr Küchler fort. »Sind Sie der Richtige für diese Ermittlung?«
»Johan Land versucht, sich auf sein Eigenstes zu beschränken«, fing Raupach an. »Er findet sich mühelos in alles, dessen es bedarf, um die Menschen zu hassen. Er ist stark durch seinen grenzenlosen Wunsch nach Klarheit, durch seine Verachtung von Überzeugungen, durch das Gefühl für seine Grenzen. Er hat sich eine innere Insel geschaffen, die zu befestigen er keine Zeit verliert.«
Vor einer Woche hatte er zum ersten Mal bei Valerie Braq geklingelt. Diesmal dauerte es eine Weile, bis der Türsummer ertönte, kommentarlos, nachdem Raupach sich gemeldet hatte.
Raupach drehte sich um und nickte Höttges und dessen Partner durch die Windschutzscheibe ihres Minivans zu. Ein weiterer Wagen mit zwei Ermittlern war an der Einmündung zur Christinastraße postiert. Die beiden Observationsteams überwachten das Haus seit drei Tagen rund um die Uhr. Sie folgten Valerie zu ihrer Arbeit im Sonnenstudio oder zum Einkaufen in den Supermarkt, und sie begleiteten Sheila in die Schule. Mutter und Tochter führten ein geradezu einförmiges Leben. Sie blieben an den Abenden zu Hause, wie es zurzeit viele Kölner taten, und schienen nur vor die Tür zu gehen, wenn es unbedingt nötig war. Die Brandanschläge hatten die Menschen vorsichtig gemacht. Zum Besorgen von Weihnachtsgeschenken gab es kleine Geschäfte in der unmittelbaren Umgebung und das Internet. Wer ausgehen wollte, besuchte Lokale im eigenen Viertel.
Das Treppenhaus sah unverändert aus. Regenschirme, Fußmatten und die unvermeidlichen Schuhe auf den Treppenabsätzen. Im ersten Stock schien eine Familie zu wohnen, deren Tochter Reitunterricht nahm. Die schwarzen Schaftstiefel aus Gummi waren Raupach schon letztes Mal aufgefallen. Im dritten Stock stand die Tür offen.
Photini ging in die Küche voraus. Der Läufer roch nicht mehr nach Waschmittel, bemerkte Raupach. Dafür waren die toten Insekten aus der Lampe entfernt worden.
Valerie Braq saß am Tisch und blätterte in einer Zeitung. Raupach begrüßte sie und stellte Photini vor.
»Wieder in Amt und Würden?«, fragte die Frau. Sie wirkte müde und nicht sonderlich überrascht, den Kommissar zu sehen. »Das ging ja schnell.«
»Wie man’s nimmt«, erwiderte Raupach. »Schnell« umfasste für ihn einen Zeitraum von drei Jahren.
»Gibt’s was Neues? Etwas, das nicht hier drin steht?« Valerie faltete die Zeitung zusammen.
»Nein.« Die Fahndungen und die Observation hatten noch nichts ergeben. Trotz Jakubs beeindruckender psychologischer Analyse kam die Ermittlung nicht vom Fleck.
»Ich hab meinen freien Nachmittag. Eigentlich wollte ich mich etwas hinlegen.«
»Dürfen wir Platz
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