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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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gefährden. Oder er übernahm sie. Dann entstand mit ziemlicher Gewissheit eine Wir-Identität.«
    »Wir gegen den Rest der Welt«, bemerkte Photini mit einem dünnen Lächeln.
    »Dadurch versuchten beide, die Umwelt auf Distanz zu halten. Ein Wahnthema, hervorgerufen von Verfolgungs- oder Größenwahn, bildet dann die einzige verlässliche Norm, einen Orientierungspunkt. Je mehr die Betroffenen in die Enge getrieben werden, desto mehr fühlen sie sich in ihren Vorstellungen bestätigt. Ein Teufelskreis entsteht, die so genannte Wahnmühle.«
    »Der Brand in der Buchhandlung war so etwas wie eine Initialzündung«, sagte Photini. »Er fand am 29. November statt. Land lag danach eine Woche mit einer Rauchvergiftung im Krankenhaus.« Sie machte eine Pause. »Genau ein Jahr später schrieb er den ersten Drohbrief.«
    Jakub nickte und breitete bestätigend die Arme aus.
    »Ist Ihnen klar, dass so eine ›Wahnmühle‹ auf eine Menge Leute zutrifft?«, fragte Heide. »Im Grunde auf jede isolierte Vereinigung, die sich selber genug ist.«
    »Woytas lag mit seinen Terroristen gar nicht so weit daneben«, sagte Raupach. »Aber letztlich sind es nur zwei. Und einer ist tot.«
    »Was hat Martas Tod bei Johan ausgelöst?«, wollte Effie wissen.
    »Offenbar litt er unter ihrem Einfluss«, sagte Jakub. »So deute ich zumindest sein Lächeln auf dem Videoband. Vielleicht war es ein unbewusstes Lächeln. Er dachte, es sei vorbei.«
    »Man könnte doch annehmen, dass die Folie à deux durch die Trennung aufgehoben wurde«, setzte Effie hinzu.
    »Das ist möglich. Aber ohne eine entsprechende Behandlung kann es beim passiven Partner auch zu einer Verschlechterung des Zustandes kommen. Er kann das Wahnthema ausbauen, in einer Art vorauseilendem Gehorsam der Verstorbenen gegenüber.«
    »Johan Land sagte uns, Marta würde auf gewisse Weise weiterleben.« Raupach erinnerte sich genau an diesen Satz. Er hatte ihm zu wenig Bedeutung beigemessen.
    Jakub horchte auf. »Das spricht dafür, dass die Bindung eine psychotische Stufe erreicht hat. Unter Umständen ist sie unlösbar.«
    »Gibt es eine Therapie?«, fragte Raupach.
    »Das können wir uns überlegen, wenn wir ihn festgenommen haben«, sagte Heide. Wenn niemand wie ein Polizist dachte, musste sie es eben tun. Mitleid ist eine feine Sache, fand sie, aber alles zu seiner Zeit.
    »Die Tatsache, dass Marta Tobisch tot ist, macht eine Behandlung besonders schwierig.« Jakub schüttelte den Kopf. »Der Mann muss Neuroleptika bekommen, schwere Geschütze, um zunächst die Psychose einzudämmen. Außerdem benötigt er ständige psychotherapeutische und soziotherapeutische Führung, am besten stationär in einer Fachklinik. Und ohne seine eigene Mitarbeit geht gar nichts. Er muss sich freiwillig lösen wollen. Daran scheitern die meisten Therapien.« Jakub fuhr sich durch die Haare. »Johan Lands Heilungsaussichten sind also insgesamt eher gering.«
    »Wir müssen sogar mit einer Verschlechterung rechnen«, setzte Raupach hinzu und blickte um sich. »Sehen wir den Dingen ins Auge. Johan Land wird alles tun, um den Anschlag auszuführen. Aus Hass auf die Menschen. Aus Treue zu seiner verstorbenen Frau. Aus einem Gefühl der Verlassenheit, das sich unserem Einfluss entzieht. Die Fahndung nach ihm wird ihn noch mehr in die Enge treiben. Indem wir ihn versuchen zu fassen, liefern wir ihm erst recht den Grund, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Das nenne ich eine Wahnmühle.« Er stand auf und versetzte seinem Drehstuhl einen Stoß, so dass die Sitzfläche ein paar Umdrehungen machte. Das war ganz gegen seine Art, Raupach ließ seinen Missmut nie an Gegenständen aus.
    »Sie haben von einer Infektion gesprochen«, sagte Effie. »Kann Johan Land auch seinerseits Menschen anstecken?«
    »Theoretisch ja«, antwortete Jakub. »Bei einer psychischen Epidemie dehnt sich die Wahninduktion auf weitere Personen oder größere Gruppen aus.« Jakub wollte diesen Bereich eigentlich aussparen, weil er allzu sehr nach Verschwörungstheorie klang. »Denken Sie an Massenselbstmorde in Sekten. Die Menschen werden von einem Psychopathen, dem Sektenführer, in den Bann gezogen.«
    Raupach schnaufte hörbar aus. Würde sich diese Sache noch ausweiten?
    »Bei Johan Land ist das aber höchst unwahrscheinlich«, beruhigte ihn Jakub. »In dem vorliegenden Fall sind der aktive und der passive Partner stark aufeinander fixiert. Johan Land ist ein Einzelgänger, er lebt zurückgezogen. Es gibt niemanden in seinem Umfeld,

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