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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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wünschte sich, dass Vergewaltiger weggesperrt wurden, ohne Aussicht auf eine Rückkehr in die Gesellschaft.
    Auch Raupach hatte schon oft mit Vergewaltigungen zu tun gehabt, gerade im Zusammenhang mit Totschlag und Mord. Grundsätzlich war er der Ansicht, dass ein Ermittler bestenfalls das Schlimmste verhüten konnte. Gerechtigkeit war ohnehin nie herzustellen. Doch Sheila hatte bereits das Schlimmste erdulden müssen, es war nicht mehr rückgängig zu machen. Das traf natürlich auf das Opfer jedes Verbrechens zu, aber bei Vergewaltigungen fühlten sich Polizisten besonders machtlos. Dann fragten sie nach Sühne, was bei Raupach gemischte Gefühle erzeugte. Vergewaltigungen ließen sich nicht sühnen.
    Jakubs Überzeugungen gerieten auf andere Weise ins Wanken. Prinzipiell glaubte er, das Gute könne nicht aus sich selbst heraus entstehen, sondern nur aus der Auseinandersetzung mit dem Bösen. Dieser Optimismus ließ sich bei Vergewaltigungen, vor allem beim Missbrauch von Minderjährigen, nicht aufrechterhalten. Solche Verletzungen heilten nie, es war einfach nicht möglich, darin irgendeine Chance zu erkennen. Jakub war einfach nur deprimiert.
    Ein Anruf bei Heide im Taubenschlag brachte nichts Neues. Sie hatten keinen weiteren Hinweis auf einen der Gesuchten. Im Sonnenstudio und in Sheilas Zimmer hatten die Spuren immerhin zu ihnen gesprochen. Das Bild gewann an Konturen, langsam traten die Figuren deutlicher hervor. Aber es war wie ein Bild hinter Glas. Raupach konnte es nicht berühren, die Feinheiten nicht erkennen. Und manche Bereiche lagen noch im Dunkeln.
    Photini und Jakub durchstreiften die anderen Räume des Appartements und suchten nach Anhaltspunkten für Johan Lands Fluchtort, Raupach begab sich ins Schlafzimmer. Er machte sich klar, dass er sich nicht in der Behausung eines Opfers befand, sondern in der eines flüchtigen Täters, den er bereits kannte und nur noch fassen musste. Konnte er diesen Vorteil für sich nutzen?
    Der Raum war groß genug für zwei Menschen, ebenso das Bett. Am Fußende stand ein Korbsessel mit baumwollfarbenen Stoffpolstern. Hier hatte Johan Land gesessen und durch sein Teleskop gesehen. Es war kein Hochpräzisionsgerät, sondern ein herkömmliches Fernrohr aus einem Kaufhaus oder Fotogeschäft, wie Hobbyastronomen es benutzen. Das Stativ war so eingestellt, dass man bequem im Sitzen durch das Teleskop hindurchschauen konnte.
    Raupach ließ sich auf dem Korbsessel nieder und blickte durch das Okular. Von hier aus hatte Land Valerie ausgespäht. In ihrer Wohnung brannte kein Licht mehr, die Techniker wollten ihre Arbeit erst am nächsten Tag abschließen. Im Stockwerk unter ihr war es ebenfalls finster, Goodens war anscheinend nicht zu Hause. Raupach schwenkte das Rohr etwas nach links Richtung Neusser Straße. Er hatte die Wahl zwischen verschiedenen erleuchteten Fenstern. Wen hatte Land außer Valerie noch beobachtet? Worauf konnte sich sein Blick von hier aus gerichtet haben?
    In einer Dachwohnung lief der Fernseher. Eine Gestalt saß davor, der Frisur nach zu urteilen eine ältere Frau. In einer anderen aßen mehrere Personen zu Abend. Die Einrichtung sah orientalisch aus, was auf die Babacans schließen ließ. Die türkische Familie hatte sich beobachtet gefühlt. Manche Menschen verstanden es noch, unbestimmte Gefühle zu deuten. In dem Haus daneben befand sich eine Zahnarztpraxis, die am Abend noch geöffnet hatte. Ein Patient nahm gerade auf einem Behandlungsstuhl Platz.
    Weiter unten im Erdgeschoss machte eine junge Frau Gymnastik auf einer violetten Kunststoffmatte. Das war die Schuhverkäuferin, durch deren Wohnung sich Johan Land ins Sonnenstudio abgesetzt hatte. Sie war völlig verunsichert gewesen, ein Einbruch zeigte den Menschen, wie verwundbar sie in ihren vier Wänden waren. Anscheinend hatte Land gewusst, wann er gefahrlos bei ihr einsteigen konnte.
    Hatte er über all seine Nachbarn Dossiers angelegt, Tagesabläufe ausspioniert, regelmäßige An- und Abwesenheitszeiten festgehalten? Dieses Wissen kam ihm nicht nur bei seiner Flucht zustatten, es verlieh ihm auch eine unvergleichliche Macht. Langsam begriff Raupach, wie Land sich hinter dem Teleskop gefühlt hatte. Im Sonnenstudio mochte er hilflos gewesen sein, hier oben aber hatte er sich in einer privilegierten Position wähnen dürfen. Er konnte in das Leben anderer hineinsehen, es regelrecht durchleuchten – wenn sie keine Gardinen besaßen.
    Bestimmt wusste Land auch, wer zu welchen Zeiten die

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