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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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gebe ich nicht auf«, wehrte Valerie ab, »ich will alles wissen.« Sie ging auf die Toilette, um sich zu erleichtern. Als sie zurückkam, schrieb sie einige Sätze in ihr Tagebuch. Dass sie diese Notizen so teuer bezahlen musste, hätte sie nicht für möglich gehalten. Sie begann zu ermessen, wie krank Johann wirklich war.
    Dann hatte sie eine Idee. Die Speisekammer war das einzige Zimmer der Wohnung, in dem völlige Dunkelheit herrschte. Es war ein schmaler, fensterloser Raum mit einer feuerfesten Tür. Johan sollte sie darin einsperren und an der Tür horchen, dann werde er schon sehen.
    Sie ging hinein. Johan verriegelte die Tür. Es war Abend, er schloss auch die Türen, die auf den Gang führten. Das Haus war ruhig, von der Straße drangen keine Verkehrsgeräusche herauf. Im Treppenhaus brannte Licht, es fiel durch einen Schlitz am Boden. Die Glocke der Marienkirche schlug die halbe Stunde. Dann war es still.
    Er fragte sich, wie viel Luft Valerie in der Speisekammer hatte. Bald würde er Mattes’ und Thierrys Wohnung verlassen müssen, weil die beiden aus London zurückkamen, das wusste er von den Flugtickets. Würde die Luft so lange reichen, wenn er jetzt einfach wegginge? Wie viel Krach konnte Valerie in dem Raum schlagen? Es war eine günstige Gelegenheit, sie loszuwerden. Das Tagebuch würde man bestimmt finden, wozu brauchte er sie noch? Oder sollte er sie mitnehmen? Weil er sich ihr verbunden fühlte und etwas für sie empfand, wovon er nicht sagen konnte, was genau es war? Stellte sie eine Belastung dar oder eine Hilfe?
    Er lachte. Das waren Marta-Gedanken, vermutete er, sie spielte ihm einen letzten Streich. Er berührte die Wunde am Unterarm. Sie juckte, die Haut schien rasch zu heilen. Plötzlich fiel ihm ein, dass er vergessen hatte, an der Tür zu horchen. »Dummer Junge«, schalt er sich. Dann legte er den Kopf an die Tür. Sie war kalt. Das fühlte sich gut an.
    Er hörte nichts. Er presste das Ohr stärker gegen den Stahl. Wie oft hatte er sich nach einem Wort von Marta gesehnt, wenn es ihm schlecht gegangen war? Trost hatte sie selten gespendet.
    Valerie begann: »Ich gehe in den Fluss.«
    Genau das hatte Marta immer gesagt, wenn sie zu ihren Videoaufnahmen in die U-Bahn aufgebrochen war. Es klang dumpf, wie geknebelt.
    »Was willst du?«, fragte er und wiederholte den Satz, als keine Erwiderung kam. »Wo bist du?«, fügte er hinzu. Er schloss die Augen und horchte gespannt.
    »Ich vertraue dir. Bleib stark.«
    Die Stimme klang tiefer, als er sie in Erinnerung hatte. Aber sie flößte ihm die Gewissheit ein, die er so sehr vermisst hatte. »Weiße Blasen seh ich springen, wohl! die Massen sind im Fluß«, antwortete er und sperrte die Tür auf.
    Valerie schlüpfte heraus. Mit einer Hand bedeckte sie ihr Gesicht, um die Illusion nicht zu zerstören. Dann schob sie Johan in die Speisekammer. Er ließ es widerstandslos geschehen.
    Völlige Schwärze. Atemgeräusche. Sie stammten von ihm.
    Konnte man hier drin überhaupt Atem schöpfen?
    »Es ist noch nicht vorbei!«, kam es aus Johans Mund.
    War er das?
    »Beweise ihnen, dass du nicht krank bist!«
    Es klang schrill, unkontrolliert.
    »Ich will, dass du mich rächst.«
    Er lauschte den Worten wie jemand, der am Ufer eines Ozeans steht, mit den heranbrandenden Wellen spricht und auf eine Antwort wartet, obwohl er weiß, dass die Geräusche, die er vernimmt, nur von meerumspülten Steinen am Strand herrühren. Doch er befand sich gar nicht unter freiem Himmel, fiel ihm ein, sondern in einem dunklen Raum, dessen Wände er mit ausgestreckten Armen berührte. Die Worte kamen aus der Finsternis in seinem Innern.
    Er riss die Tür auf, stolperte aus der Speisekammer und fuhr herum. »Es geht nur um dich!«, rief er. » Du findest keinen Frieden! Du nimmst mir die Luft. Du bist gegen alles, was mich glücklich macht. Geh weg!«
    Johan zögerte und sah zu Valerie. Sie hatte die kleine Lampe an der Garderobe eingeschaltet und hielt die Tür auf. Sie fragte: »Ist Marta noch da?«
    Er betrachtete sie, die Augen weit aufgerissen, um Valeries Gesicht im Lichtschein zu erkennen. »Was soll ich tun?«
    »Nimm Abschied.«
    Er nickte, blickte zwischen der Speisekammer und dem Licht im Gang hin und her. Vielleicht hatte sie Recht und es gelang ihm, indem er es laut aussprach?
    »Beerdige sie«, sagte Valerie.
    Er senkte den Kopf. Sein Unterarm juckte wieder. Es war eine Frage des Willens. Und des Erkennens. Marta wahrzunehmen, war ihm nie schwer gefallen. Es

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