Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)
Eltern wie die Siklossys eine versteckte Warnung erhalten hatten. Durch den Brand auf dem Spielplatz sollten sie merken, wie dünn der Faden war, der sie mit ihren Nachkommen verband. Wenn Gabor, Yilmaz und die anderen erst einmal ihre gerechte Strafe ereilt hatte, würden es alle merken: Eure Kinder sind genauso wenig vor den Flammen sicher wie ihr selbst.
Erleichtert registrierte Johan, dass er nichts falsch gemacht hatte – auch wenn er Martas Gedanken nicht gänzlich teilte. Manchmal war es nicht so einfach, ihre Äußerungen zu deuten. Sie wurde schnell ungehalten.
Und jetzt zu einem anderen Thema. Ihre Augäpfel traten hervor, ihr Mund dehnte sich zu einem Schlund. Was hast du bei dieser Frau verloren?, zischte sie. Ihre Fingernägel waren scharf. Sie bohrten sich in die Haut unter seinem Ohr.
Er wich zurück. Ein eng umschlungenes Pärchen kam vorbei. Der Mann hielt Johan für betrunken und machte einen Bogen um ihn.
Sieh dich vor. Du bringst noch alles in Gefahr.
Es ging um Valerie. Kontakte dieser Art ließen sich nicht vermeiden, hob er an. Verschwommen nahm er zwei Gestalten wahr, die an ihm vorbeigingen. Sie waren weit weg, woanders. Er fuhr fort: Wir müssen sichergehen, dass es zumindest ein paar Schuldige trifft.
Du hast es nicht begriffen. Sie hassen uns alle.
Es war, als tropfte ihm heißes Wachs ins Ohr. Er schüttelte den Kopf, um den Druck auf sein Trommelfell loszuwerden. Nein, er würde ganz gewiss kein unnötiges Risiko eingehen. Valerie einen Besuch abzustatten gehörte zu ihrem gemeinsamen Vorhaben. Warum misstraute Marta ihm auf einmal? Sie mussten doch in Erfahrung bringen, was das für Leben waren, die diese Menschen bald verlieren würden. Er setzte fort, was Marta angefangen hatte. Es war ihr gemeinsames Werk, ein work in progress. An dem Datum, an dem sie gestorben war, würde es in einem dramatischen Finale enden. Als Fanal für alle Zeiten. So hatten sie es doch geplant.
Plötzlich ließ der Druck nach. Ich vertraue dir. Finger strichen über seine Lippen. Bleib stark.
Niemand wusste so viel über ihn wie Marta. Als es vor einem Jahr in der Buchhandlung brannte und er als Letzter das Gebäude verließ, hatte sie zum ersten Mal nach ihrem Tod zu ihm gesprochen.
Es war ihm wie ein Wunder erschienen. Und das ging so: Zuerst zweifelte er, ob er richtig gehört hatte. Daraufhin hauchte sie ihn an. Er hielt inne. Um ihn herum spien die Bücher Flammen in allen erdenklichen Farben. Er wollte nach draußen, aber sie hielt ihn fest. Er nahm die Schere neben der Geschenkpapierrolle. Sie verlangte, ihren Namen auf seiner Haut zu sehen. Er fing in der Nähe der Pulsader an und bearbeitete seinen Unterarm. Als er das zweite A vollendet hatte und es ihr voller Stolz zeigte, zog ihn ein Feuerwehrmann ins Freie.
Es war noch zu früh zum Sterben gewesen. Marta hatte ihm bewusst gemacht, dass es noch etwas zu erledigen gab.
Heute Abend bestand die Belohnung in einem Kuss. Er spürte ihn auf seinen Lippen, kalt und metallisch.
Valerie stoppte die Jalousie auf halber Höhe. Was machte Mattes da unten? Warum umarmte er eine Straßenlaterne? Sie schaute genauer hin. Es sah nicht so lächerlich aus, wie sie auf den ersten Blick angenommen hatte. Mattes hielt sich fest, als sei ihm schwindlig geworden.
Sie schraubte die Kapsel auf die Tube mit Bodylotion, öffnete das Fenster – und überlegte es sich anders, schließlich wollte sie nicht die gesamte Nachbarschaft aufschrecken. Ein Kälteschwall drang herein, worauf sie das Fenster schloss und in ihren Bademantel schlüpfte. Sie hatte gerade geduscht, um sich den Schweiß ihres neuen Jobs abzuwaschen. Na ja, groß ins Schwitzen kam sie in dem Sonnenstudio nicht. Sie musste die Geräte nach Gebrauch sauber machen, die Bräunungszeiten neu programmieren, die Kunden abkassieren und zu allen möglichst freundlich sein. Zum Abschluss des Tages hatte sie eine der Liegen ausprobiert. Ihr Körper war noch immer von der künstlichen Wärme erfüllt.
Als sie ihre Wohnung verließ, überlief sie ein Schauder. Bis zu der Laterne waren es nur ein paar Schritte. Die würde sie schon überleben, ohne zu erfrieren.
Der Abend mit Mattes war seltsam verlaufen. Sie hatten sich bestens verstanden. Der Wein, den er mitgebracht hatte, war genau nach ihrem Geschmack. Gesprächsthemen hatten sich wie von selbst ergeben, schließlich lebten sie im gleichen Viertel. Aber kurz vor zehn wollte er von einem Augenblick auf den anderen gehen, gerade, als sie in
Weitere Kostenlose Bücher