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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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Möglicherweise war er nach Köln versetzt worden, nachdem Raupachs Zeit im Exil begonnen hatte.
    Paul reichte Heide einen Schutzhelm. Sie stieg hinter ihm auf die Polizei-BMW und schlang ihre Arme um seine Taille. Diese Geste sagte alles, dachte Raupach. Bei Teenagern harmlos, bei Frauen wie Heide eindeutig. Als sie davonbrausten, winkte sie zu ihm hoch. Er hob die Hand. Nicht, dass er Heide ihre Liebschaften nicht gönnte. Er hatte aufgehört, sie zu zählen. Trotzdem würde er sich die Akte dieses Polizisten besorgen, schon aus reiner Neugier. Auf Onkel Osterloh war in dieser Beziehung Verlass.
    Daraufhin blickte er in den Nachthimmel. Er sah fleckig aus, als sei eine Tüte Milch darauf verschüttet worden.

    Die aktuellen Nachrichten waren im Supermarkt zu hören. Es gelang Johan, Marta eine Weile mit Nichtigkeiten hinzuhalten. Dass die Rasierklingen schon wieder teurer und die Butter schon wieder billiger geworden war. Wo sich die Menschen hinwirtschafteten mit all ihren Trends und Bedürfnissen, ihren Süchten und Diäten, ihren Ansprüchen und Einschränkungen. Wenn Johan ihr moralisch kam, hörte Marta ausnahmsweise zu. Es gefiel ihr, wie klar seine Prinzipien geworden waren.
    Nachdem er die Einkäufe nach Hause gebracht hatte, ging er wieder nach draußen. Es war milder geworden. Der Schnee war während des Tages restlos geschmolzen. Auf den Gehsteigen und im Rinnstein lag Streugut, scharfkantige Steinchen, die sich in den Sohlen seiner Winterstiefel verkeilten. Vor dem Postgebäude des Viertels bezog er Stellung. Er setzte sich auf einen Mauervorsprung und legte eine Hundeleine neben sich, ein Grund, um am späten Abend hier zu sitzen. Sein Dufflecoat reichte ihm bis über die Oberschenkel und hielt ihn warm.
    Der Name der Familie lautete Siklossy, so stand es auf dem Klingelschild. Er probierte mehrere Aussprachen aus, bis ihm der Klang richtig erschien. Schiglossi, mit weichem Sch. Das war Ungarisch, hatte er herausgefunden. Er mochte exotische Namen. Sein eigener kam ihm belanglos vor. Ein Einsilber, kurz wie ein Befehl.
    An den Fenstern im ersten Stock hingen keine Vorhänge. Diese Leute hatten nichts zu verbergen. Er schätzte ihre Unbekümmertheit. Die beiden Söhne, drei und fünf Jahre alt, lagen schon im Bett. Während des Sommers waren sie mit ihrer Mutter oft auf dem Spielplatz gewesen. Der Ältere, Laurent, hatte Johan versichert, dass die Spielhöhle aus Weidengeflecht eine Burg sei, die er zusammen mit seinem Bruder gegen den schwarzen Ritter verteidigte. Ein Gedanke, den Johan im Geiste ergänzt hatte: Der schwarze Ritter kam nie allein. Er besaß jede Menge Gefolgsleute.
    In dem Kinderzimmer brannte eine mondförmige Lampe. Damit sich die Brüder nicht vor der Dunkelheit fürchteten, nahm Johan an. Die Mutter hieß mit Vornamen Anne. Sie war halbtags am Geographischen Institut der Universität beschäftigt. Gerade betrachtete sie Konrad und zog die Bettdecke über ihn, weil er sie gern wegstrampelte. Die Kinder schienen tief und fest zu schlafen. Dann ging sie zurück ins Wohnzimmer und leistete ihrem Mann Gabor Gesellschaft. Gabor leitete ein Architekturbüro am Zülpicher Wall. Sie tranken Rotwein aus Ballongläsern und unterhielten sich miteinander. Zerstreuungen wie Fernsehen oder das Internet schienen sie nicht zu kennen.
    Johan hatte die Familie erst vor ein paar Monaten in seine Beobachtungen einbezogen. Sie hatten sich ihr Leben aufs Beste eingerichtet. Man konnte gar nicht neidisch auf sie sein, dafür verhielten sie sich viel zu unauffällig und bescheiden. Doch ihr Glück hatte einen Haken. Gabor nahm die Bahn um 18 Uhr 33.
    Marta erhob sich und verließ das Dunkel des Tunnels. Sie machte ihr bedrohliches Gesicht. Johan versicherte ihr, dass Publizität in einem gewissen Ausmaß nicht zu vermeiden war. Sollten doch alle erfahren, was auf sie zukam.
    In Wahrheit hatte er sich von sich selbst angewidert gefühlt, als die Meldung des Tages aus den Supermarktlautsprechern gedrungen war. Er war dabei, berühmt zu werden. Dadurch wurde er für die Öffentlichkeit verfügbar. Was für ein schrecklicher Gedanke!
    Aber es war auch eine Bestätigung. Es hatte etwas passieren müssen, das stand außer Frage, sonst würden die Menschen nicht wissen, wie ihnen in naher Zukunft geschah. Allerdings war die Radiomeldung unvollständig. Sie bestand nur aus dem ersten Satz. Ohne den Rest hörte sie sich trivial an.
    Marta pflichtete ihm schließlich bei. Es schien ihr nur recht und billig, dass

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