Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)
Standpauke standen die versammelten Kölner Ermittler auf und applaudierten. Photini trat einen Schritt vor. Raupach erstarrte.
Himmerich verschaffte sich erneut Gehör. »Ich darf Sie darauf hinweisen, dass wir diesen Erfolg der Initiative des Innenministers verdanken. Auf sein Betreiben wurde die Abteilung gegründet, die diesen Fall wieder aufgerollt hat. Sie steht unter der Leitung von Kommissar Raupach. Er dürfte Ihnen noch in bester Erinnerung sein. Danke, Klemens. Macht weiter so.«
Jetzt wandte sich die Aufmerksamkeit Raupach zu. Wenn jemand ihn mit Vornamen ansprach, wurde er misstrauisch. Misstrauisch und verlegen. Unter den Journalisten erkannte er Küchler vom Express. Der Mann machte sich eifrig Notizen. Photini blickte flehend zur Decke. Sie hatte Angst, dass Raupach etwas Falsches sagen würde. Es lag ihm einiges auf der Zunge. Er atmete langsam aus und zählte die Betonsäulen im Konferenzraum. Es waren zehn, fünf auf jeder Seite.
»Wir machen weiter«, sagte er schließlich. Er hielt inne und wollte noch mehr sagen, aber die Anwesenden nahmen seine Bemerkung als gelungenes Schlusswort und klatschten, selbst die Presseleute schlossen sich an. Raupach schwieg. Himmerich nutzte die Gelegenheit und beendete die Konferenz.
Photini litt. Sie fühlte sich so schlecht wie lange nicht mehr. Doch sie genoss auch die Anerkennung, das plötzliche Interesse an ihrer Person. Es dauerte eine Weile, bis sie alle Interviewwünsche erfüllt hatte und sämtliche Fotos geschossen waren. Eine junge, gut aussehende Kommissaranwärterin löst einen verzwickten, längst vergessenen Fall – das war eine Story, die Schillers Glockenmann vergessen machte.
Raupach rührte sich nicht von der Stelle. Die wenigen Fragen, die an ihn gerichtet wurden, beantwortete er auf die nüchterne Weise, für die er bekannt war. Gewesen war, setzte er in Gedanken hinzu. Die Reporterin von Radio Köln musste sich seinen Namen buchstabieren lassen.
Photini hatte den Fall eigenmächtig nach oben geleitet. Sie hatte mit Woytas eine »idiotiki simfonia« geschlossen. So nannte man in Griechenland eine private Vereinbarung, die keiner kostspieligen Beglaubigung durch einen Notar bedurfte und dennoch Rechtsgültigkeit besaß. Eine »idiotiki simfonia« eignete sich für alle möglichen kleineren und größeren Geschäfte. In der Regel erwies sich diese Form eines Abkommens für beide Seiten als überaus nützlich, etwa, wenn man einen Olivenhain pachten wollte. Photini hatte etwas anderes im Sinn: In der Statistik würde dem Ersten Hauptkommissar die Lösung des Falls Babette L. angerechnet werden. Als Gegenleistung verlangte Photini ein gewisses Entgegenkommen. Mehr Zugeständnisse und Freiheiten. Die konnten sie und Raupach brauchen, wenn sie ihre Gruft in absehbarer Zeit verlassen wollten.
Dies alles versuchte sie, Raupach zu erklären. Es war ihm anzusehen, wie beleidigt er war. Er fühlte sich hintergangen und ausgenutzt. Stumm hörte er seiner Assistentin zu. Dummerweise kam Himmerich dazwischen.
»Zeit für eine Beförderung, Fräulein Dirou. Sie haben lange genug darauf gewartet. Aus Ihnen wird gerade eine Kommissarin.«
Himmerich sprach Dirou falsch aus. Das D musste wie ein weiches th klingen. Stimmhaft, wie Photini es Raupach einst erklärt hatte.
»Wohin wollen Sie mich versetzen?«, fragte sie. »Hoffentlich nicht zu Vorderbrügge.«
»Für jemanden mit Ihrer Begabung wird sich bestimmt eine geeignete Stelle finden.«
Offensichtlich hatte er sich noch keine Gedanken darüber gemacht, dachte sie. Raupach nickte wissend und drehte sich weg. Warum war dieser verdammte Kerl so leicht zu entmutigen? »Sie können mich gern befördern«, erwiderte sie rasch. »Aber ich fühle mich im Archiv sehr wohl. Dann haben Sie da unten zwei Kommissare sitzen.«
Himmerich stutzte. »Verstehe.«
»Bestimmt wäre das im Sinne des Innenministers«, setzte sie hinzu.
»Sind Sie sicher, dass Sie die Sache nicht noch einmal überschlafen wollen?«
»Absolut. Wir sind ein eingespieltes Team. Es gibt keinen Grund, uns zu trennen.«
»Das ist lieb von dir, Photini«, schaltete sich Raupach ein. Diese Frau steckte voller Überraschungen. Und Überraschungen, so dachte er jetzt, taten ihm gut. Am besten jeden Tag eine, sagte Heide immer. »Ich kann dem Präsidenten nur beipflichten«, fuhr er fort. »Überleg dir genau, was du tust.«
»Freut mich zu hören, Klemens«, sagte Himmerich. »Was ist mit den Tankstellenräubern? Frustrierend, diese
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