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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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darauf, dass ihnen nichts passierte. Er hatte seine Hand immer am Notschalter. Wenn ein Kind seinen Platz verließ, schritt er ein, und die Fahrt mit dem Karussell war zu Ende.
    Unterdessen baute Sheila die Spielsteine auf. Sie losten aus. Luzius bekam die schwarzen. Sheila drehte das Brett und machte den ersten Zug. Sie schwiegen. Sheila betrachtete ihn, und Luzius betrachtete die Damesteine.

    »Ich suche ein Buch« , wandte sich Raupach an den Verkäufer. »Ich glaube, der Einband ist rot.«
    Johan versuchte, den Mann einzuschätzen. Er war Anfang vierzig, etwa so alt wie er selbst. Kein Intellektueller, der ihn veralbern wollte. Dafür wirkte er zu gewöhnlich in seiner dunkelblauen Jacke, die er über einem Anzug trug. Ein rotes Buch – die Mao-Bibel konnte damit kaum gemeint sein. Was war sonst noch rot? Die einbändige Ausgabe des Herrn der Ringe. Der Guide Michelin. Und eine Menge anderer Bücher mit rotem Einband oder Schutzumschlag.
    »Da haben wir ein paar zur Auswahl. Was lesen Sie denn so?«
    »Es soll ein Geschenk sein. Können Sie es hübsch einpacken?«
    »Natürlich«, antwortete Johan geduldig, »das machen wir gern. Aber zuerst brauche ich ein paar Anhaltspunkte. Können Sie sich an den Titel erinnern?«
    Der Mann kratzte sich am Kopf. Er machte auf Johan einen konfusen Eindruck, als sei er nur durch Zufall in die Buchhandlung geraten und fragte sich nun, was er hier verloren habe. Jemand, der vor dem Matschwetter floh und sich für kurze Zeit aufwärmte. Seine schwarzen Schuhe sahen mitgenommen aus wie sein gesamtes Äußeres. Nicht direkt verwahrlost. Auf seine Weise war der Mann gepflegt. Er war sauber rasiert, hatte eine passable Haltung, seine Augen waren auf eine bedächtige, unerschütterliche Art mit der Umgebung beschäftigt, als müsste er jedem Gegenstand einen Begriff zuweisen. Er roch nach Kaffee. Und nach Knoblauch und Anis, was Johan aber nicht weiter störte. Allerdings schien er nicht viel Wert auf eine korrekte Erscheinung zu legen. Seine Krawatte stand in einem abenteuerlichen Winkel ab. Der Hemdkragen wies einen Aschefleck auf. Er schaute wohl nicht oft in den Spiegel.
    Raupach ließ seinen Blick über die Regale schweifen. Er kam sich vor wie im Archiv. Reihen und Reihen bedruckten Papiers. Was mochte dahinter liegen? Eine kahle Wand? »Wenn ich das Buch sehe, erkenne ich es bestimmt. Können Sie mir nicht ein paar zeigen? Dann kommen wir der Sache vielleicht näher.«
    »Handelt es sich um erzählende Literatur oder ein Sachbuch?« Johan war diese Beliebigkeit unangenehm. Er benötigte mehr Informationen, Parameter, um all den Schund auszufiltern, mit dem sein Geist tagtäglich angefüllt wurde. Aber vielleicht verlangte den Kunden nach Schund? Wenn er wollte, sollte er ihn bekommen.
    »Das Buch ist rot«, wiederholte Raupach unbeirrt.
    Dieser Mann schien es gewohnt zu sein, immer aufs Neue anzuheben, dachte Johan. Hinter einer schludrigen Erscheinung verbarg sich manchmal Hartnäckigkeit. »Der Autor ist Ihnen nicht bekannt?«
    »Nein.«
    »Die grobe Thematik?«
    »Gift«, erwiderte Raupach und tippte mit der Handfläche an die Stirn, um sich für sein lückenhaftes Gedächtnis zu entschuldigen. »Es hat etwas mit Gift zu tun. Oder es sollte etwas damit zu tun haben. Ja, das wäre gut.«
    Johan stutzte. »Gift« gehörte nicht zu den Begriffen, nach denen er die Lektüren seiner Kunden unterteilt hatte. Dann kam ihm ein Gedanke. »Sie meinen nicht etwa die Rote Liste? Das ist eine Aufstellung aller im Handel befindlichen Arzneimittel.«
    »Nein, so etwas hat sie sicher schon.«
    »Suchen Sie vielleicht einen Ratgeber?«, probierte es Johan. »Über Gift … in der Nahrung? In der Umwelt? Am Arbeitsplatz oder in der freien Natur?«
    »Hm.«
    »Geht es um Gesundheit, Wellness? Eine Entschlackungstherapie? Detox ist gerade der große Renner. Das ist ein anderer Ausdruck für …«
    »Nichts über Ent giftung«, gab Raupach zurück. »Die Dame, für die das Buch bestimmt ist, interessiert sich ausschließlich fürs Ver giften.«
    »Das Geschenk ist also für eine Frau. Ihre Frau, wenn ich fragen darf?«
    »Nein. Sie ist ein paar Jahre älter als ich, wenn Ihnen das bei der Suche nach einem roten Buch hilft.«
    »Aha.« Der Hinweis nutzte Johan nicht viel. Im Stillen war er bereits von einer Leserin im mittleren Alter ausgegangen. »Soll es einen lebenspraktischen Bezug haben? Wer oder was ist das Ziel der Vergiftung? Ratten, Tauben, Ungeziefer? Oder will Ihre Bekannte einen

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