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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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ausgerechnet jetzt?«
    »Es geistert mir dauernd im Kopf herum, das ist alles.«
    »Geht es dich etwas an?«
    »Nein.«
    Sie überlegte. »Was wäre gewesen, wenn ich durch die Unterführung gelaufen und plötzlich verschwunden wäre? Was hättest du getan?«
    Er machte einen Schritt, griff unter den Kotflügel und hielt einen verdreckten Revolver in der Hand. Heides Rückversicherung, wie er wusste. Die robuste Waffe funktionierte in jedem Zustand, man musste sie nur hin und wieder reinigen, ölen und die Patronen erneuern.
    »Wärst du mir damit gefolgt?«, fragte Heide.
    »Was hätte mich davon abhalten können?«
    »Erinnere dich daran, was vor drei Jahren geschah.« Sofort bereute sie ihre Äußerung.
    »Das tue ich immerzu«, antwortete er ungerührt und betrachtete die Waffe. Der Griff fühlte sich an wie Schmirgelpapier. »Ich bin zu dem Schluss gelangt, dass ich wieder Risiken in Kauf nehmen muss. Auch wenn sie schwer abzuschätzen sind. Ohne Risiken kommen wir nicht weiter.«
    »Was wir gerade tun, ist bereits ein Risiko.«
    »Warum? Woytas hat den Fall Schiller zur Chefsache erklärt.« Er zertrat den Zigarrenstummel, streckte die Arme aus und drehte sich um die eigene Achse. »Ich sehe hier keine Anzeichen dafür.«
    »Das meinte ich nicht.« Heide nahm Raupach die Waffe ab und brachte sie wieder an der Halterung unter dem Kotflügel an. Dann wandte sie sich ihm erneut zu. Er war wirklich schwer von Begriff. Seine verkümmerte Intuition, die versteckte Eifersucht gegenüber Paul, und jetzt diese Herumschleicherei. Er brauchte etwas, um wieder auf die Beine zu kommen.
    »Falls es dir hilft: Ich denke, wir hätten zusammen glücklich werden können.« Das wollte Heide schon seit einer Ewigkeit klarstellen.
    »Und warum wurden wir es nicht?«, fragte Raupach, bemüht, sich von diesem Bekenntnis nicht überrascht zu zeigen.
    »Weil wir uns zu früh kennen gelernt haben.«
    »Oder zu spät? Was hat die Zeit damit zu tun?«
    »Wenn ich merke, wie sie über mich hinweggeht, gerate ich in Panik«, erwiderte Heide.
    »Aber die Zeit schreitet fort, unentwegt.« Die Versäumnisse der Vergangenheit erschienen ihm so groß, dass er vor dem Versuch zurückschreckte, sie wieder wettzumachen.
    »Manchmal kann man sie aufheben.«
    »Was? Wen?«
    »Die Zeit. Die Panik.« Sie nahm seinen Kopf in beide Hände und küsste ihn, lange und ausgiebig, wie es ihre Art war.
    Nach einer Weile löste sie sich von ihm und schöpfte Atem. » Das war ein Risiko«, sagte sie.
    Er antwortete nicht und blieb verdutzt stehen.
    Heide stieg in den Wagen. »Lass dir nicht so viel gefallen, Klemens.«

    Valerie hatte mindestens eine Stunde hinter dem Herd verbracht. Das Ergebnis überraschte sie. Voller Stolz trug sie die dampfende Kasserolle zum Küchentisch und stellte sie auf einen Korkuntersetzer. Das Hühnchen sah genauso aus wie im Kochbuch. Dass es aus der Truhe mit den abgelaufenen Lebenmitteln stammte, die sie im Supermarkt immer durchstöberte, war nicht zu erkennen.
    Sheila stand auf und holte aus der Kommode zwei Papierservietten. Die hatte Valerie vergessen. Sie schenkte ihrer Mutter Wein ein und nahm sich selber ein Glas Leitungswasser. Als sie sich wieder setzte, achtete sie auf ihre Haltung. Ihre Eltern hatten nie darauf Wert gelegt, dass sie ordentlich bei Tisch saß und sich gesittet benahm. Dabei tat es gut, die Schultern zu straffen und die Wirbelsäule durchzudrücken. Sie gewann ein Bewusstsein für Disziplin. Luzius wirkte stets wie eine Statue, die ein Gewölbe abstützte.
    Das Küchenfenster hielt nicht richtig dicht. Das tat es nie, seit Jef es »gerichtet« hatte. Durch die Ritzen drang kalte Luft herein. Es war ein Abend, an dem man froh war, bei Kerzenschein im Warmen zu sitzen. Das milde Wetter vom Vortag war in den letzten Stunden einer steifen Brise gewichen. Der Ostwind fegte ungebremst durch die Seitenstraßen. Im Laufe der Nacht würde eine spiegelglatte Schicht aus Eis alles überziehen.
    Sheila spürte einen Luftzug an ihrem Oberarm. Sie streifte die Ärmel ihrer zugeknöpften Strickweste nach unten. Darunter trug sie ein geblümtes Bustier, von dem sie hoffte, dass es ihr später von Nutzen sein würde. Es war eine Nummer zu klein und brachte ihre Brüste in eine vorteilhafte Position. Sie hatte es kurz vor Ladenschluss in einem Dessousladen gekauft. Die Verkäuferin hatte ihr ein noch knapperes Teil empfohlen, aber Sheila war mit dem Effekt vollauf zufrieden. Das Blümchenmuster bestand aus Veilchen und in

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