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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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sich verschlungenen Ranken. In Verbindung mit ihren zur Schau gestellten Reizen war es ideal, das wusste sie aus Erfahrung.
    Blümchen verringerten die Zahl und die Härte der Schläge. Sie erzeugten Skrupel. Das hatte sie in den Augen von Ray und den anderen gelesen. Aber es zog den Akt auch in die Länge, während keine Blümchen ihn beschleunigten – und zugleich verschärften. Sheila hatte sich stets neu entscheiden müssen. Letztlich war es eine Wahl ohne Alternative.
    »Mit ein bisschen Speck wäre es noch besser«, sagte Valerie. Sie verteilte Hühnerbeine, Reis und Estragonsoße auf die beiden Teller. »Aber den magst du ja nicht.«
    »Seit wann?«
    »Ich dachte, Schweinefleisch ist schmutzig?«
    »Vergiss das mal wieder, Mutter. Ich mag Fleisch.«
    Valerie biss sich auf die Zunge. Heute Abend wollte sie ihre Tochter nicht kritisieren. Es war unwichtig, welch seltsamen Lehren sie gerade anhing. Sie hatten selten Gelegenheit zu einem gemeinsamen Essen. Valerie wollte es nicht trüben und schwieg.
    Ihre Stirn glühte. Sie prüfte ihre Haut mit den Fingerspitzen. Anscheinend hatte sie es im Sonnenstudio übertrieben.
    »Du bist nicht braun, sondern rot«, sagte Sheila. »Wenn du noch ausgehen willst, brauchst du jede Menge Make-up.«
    Valerie erschrak. »Meinst du?«
    »Was hast du heute noch vor?«
    Valerie hatte ihren Pferdeschwanz gelöst. Ihr dunkelbraunes Haar fiel ihr auf die Schultern. Sie trug eine dünne Seidenbluse. Der Wein und der neue Hochleistungsbräuner des Studios verhinderten, dass sie fror. »Wir gehen ins Kino.«
    »Wer ist wir? «, fragte Sheila.
    »Du kennst ihn, Mattes. Er war vor ein paar Tagen zum Abendessen hier.«
    »Dieser Typ, der den Mund nicht aufkriegt?«
    »Er ist höflich«, stellte Valerie richtig. »Ein wenig schüchtern, aber er hat Manieren.«
    »Finde ich gut, dass du darauf Wert legst«, gab Sheila zurück. »Leute mit Manieren sind zuverlässig. Sie wissen, was sie wollen.« Sie kostete von dem Hühnchen. Es war gar nicht schlecht. Wenn ihre Mutter sich anstrengte, war sie zu so etwas wie Familienleben imstande. Vor lauter Selbstmitleid war Valerie blind geworden gegenüber allem, was sie nicht direkt betraf. Das Hühnchen war ein Friedensangebot.
    Sie erschreckt mich, dachte Valerie. Sheila wirkte so reif und gefasst. Als würde in der Pubertät ein Schalter umgelegt, und plötzlich waren die Mädchen erwachsen, nicht nur im biologischen Sinne. Valerie stellte mit Wohlwollen fest, dass Sheila nicht mehr so aufreizend herumlief wie in den vergangenen Wochen. Die Strickweste stand ihr gut.
    »Und was unternimmst du heute Abend?«, fragte sie. »Ich möchte dich nicht ausfragen«, fügte sie rasch hinzu. »Nur wissen, wo du bist.«
    »Spionierst du mir nach?« Sheila legte das Besteck auf die Tischplatte. Jetzt fand sie die Soße überwürzt. Ihre Mutter hatte der Kräutermischung wahrscheinlich einen Brühwürfel hinzugefügt nach dem Motto: Viel hilft viel.
    »Ich mache mir eben Sorgen um dich«, verteidigte sich Valerie.
    »Na gut, ich gehe mit den anderen auf den Weihnachtsmarkt vor dem Schokoladenmuseum«, lenkte Sheila ein. Zumindest bis mich Luzius dort abholt, fügte sie in Gedanken hinzu.
    »Bleibt nicht zu lange.«
    »Nach ein, zwei Stunden wird es sowieso langweilig.« Sie legte ihre Hand auf die ihrer Mutter. Die Finger der beiden waren beinahe gleich lang. Dennoch war Valeries Hand unter Sheilas deutlich sichtbar. Sie war dunkler und setzte sich von Sheilas blassem Handrücken ab. »Keine Angst, ich passe auf mich auf.«
    »Natürlich tust du das«, sagte Valerie und ergriff ihrerseits Sheilas Hand. »Wir geben aufeinander Acht, nicht wahr?«
    Für einen Augenblick zweifelte Sheila an dem Vorhaben, das sie so genau geplant hatte. Es widerstrebte ihr, in die Nacht hinauszugehen. Valeries ahnungslose Geste hielt sie an ihrem Platz fest. Es lag nicht an der Berührung. Die spürte sie kaum. Ihr Körper gehörte nicht mehr zu ihr, die Verbindung zwischen ihm und ihr selbst war vor einiger Zeit abgerissen. Aber sie sah, dass Valerie ihre Hand hielt. Das genügte ihr.
    Valerie lächelte, beugte sich zu ihrer Tochter und drückte sie an sich. Sheila ließ es geschehen. Ein Kribbeln wie bei Luzius empfand sie nicht. Sie spürte gar nichts. Sie konnte sich nicht einmal an das Gefühl einer Umarmung erinnern.
    »Das Hühnchen wird kalt«, sagte sie schließlich, löste sich von Valerie und machte sich daran, ihre Portion aufzuessen. Sie trank viel Wasser dazu, damit

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