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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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Marta hatte er erst nach dem Ableben seiner Eltern kennen gelernt. Mit ihr war eine neue Ordnung eingekehrt.
    Jetzt schwieg Marta. Das hatte er sich ausbedungen für diesen Abend. Einige Stunden der Stille, er brauchte Ablenkung. Als Gegenleistung hatte er ihr ein Angebot gemacht zur Beförderung ihres gemeinsamen Vorhabens. Da sie bislang nichts erwidert hatte, ging er von ihrer Zustimmung aus.
    Die Vorstellung würde bis kurz vor zehn dauern. Johan hatte beschlossen, ab jetzt wieder länger aufzubleiben. In den nächsten Tagen würde sich das ohnehin nicht vermeiden lassen. Er passte seine Angewohnheiten den veränderten Umständen an, musste flexibel sein.
    Der Kinosaal war winzig, er lag im Untergeschoss. Valerie und Johan saßen in der Mitte der siebten Reihe. Außer ihnen sahen sich nur zwei weitere Pärchen den Film an. Das sprach nicht unbedingt für den Streifen, dachte Johan und suchte eine bequeme Position für seine langen Beine. Da die Heizung voll aufgedreht war, hatten sie ihre Mäntel über eine Sitzlehne gehängt. Valerie trug eine dünne Bluse, die sie bis zum Büstenhalter aufgeknöpft hatte. Diese Mode kannte Johan von einer Kollegin aus der Buchhandlung, das war weder ungewöhnlich noch besonders lasziv. Doch im Widerschein der Werbung, die auf die Leinwand geworfen wurde, kamen Valeries Rundungen auf eine verführerische Art zur Geltung. Goldene Lichtfetzen huschten darüber und schienen sie geradezu herauszumodellieren.
    Johan hatte Valerie durch sein Teleskop schon oft entblößt gesehen. Er beobachtete seine Begleiterin aus den Augenwinkeln. Ihr Oberarm berührte seinen. Sie hatte eine Hand auf die Sperrsitzlehne gelegt. Johans Hände ruhten auf seinen Schenkeln. Ihr Parfum umhüllte sie wie ein reich besticktes Tuch. Dazu der Geruch ihrer frisch gebräunten Haut, ein leichtes Röstaroma, wie er überrascht feststellte. Marta hatte die Sonne immer gemieden. Selbst auf ihren gemeinsamen Radtouren hatte sie eine Mütze getragen, um ihre Augen zu beschatten.
    Wenn ein Werbespot mit dunkleren Szenen lief, schlug Johans Herz schneller. Er war nicht aus Stein, sagte er sich und dachte an die Enthaltsamkeit seit Martas Tod. Es fiel ihm schwer, sich ins Gedächtnis zu rufen, wie sich ihr Körper angefühlt hatte. Das war mühsam und aufzehrend und hatte stets etwas von Selbstbetrug.
    Vor ihnen saß niemand. Es war, als hätten sie das kleine Kino für sich allein. Während Valerie amüsierte Bemerkungen über eine Cola-Werbung von sich gab, überlegte Johan, was in so einer Situation von ihm erwartet wurde. Er tat so, als müsse er sich strecken. Dabei drehte er sich unauffällig zu den anderen Zuschauern um. Die beiden Paare saßen in lockerer Umarmung da. Eines von ihnen aß zusammen eine Tüte Popcorn. Die Haltung der Menschen wirkte natürlich, sie gingen sicher oft gemeinsam ins Kino.
    »Die lassen sich auch immer was Neues einfallen«, sagte Valerie und lachte über einen Mann, der gegen eine Plakatwand lief, weil er das darauf abgebildete Eis am Stiel berühren wollte. »Was meinen Sie, Mattes? Ein Eis wäre jetzt nicht verkehrt. Kommen Sie, ich gebe eines aus.«
    Bevor Johan reagieren konnte, ging das Licht an. Eine Eisverkäuferin betrat den Vorführungssaal. Valerie winkte das Mädchen herbei und kaufte eine Packung Eiskonfekt. Johan zückte seine Geldbörse und protestierte, er kannte ja Valeries finanzielle Situation. Aber Valerie winkte ab, öffnete die Schachtel und hielt sie ihm hin. Er bedankte sich und griff zu. Eiskonfekt, das waren kleine Pralinen aus Speiseeis mit einem Schokoladeüberzug. Die Füllung bestand aus Vanille oder Schokolade, man war sich nie sicher, welche man erwischte. Beide Sorten schmeckten Johan gut, sehr gut, sie zergingen ihm auf der Zunge.
    Während sie das Eiskonfekt genossen, lief eine Filmvorschau. Johan begriff, dass sie noch etwas Zeit hatten, bevor Broken Wings anfing. Valerie hatte ihn wieder mit »Mattes« angesprochen. Das behagte ihm nicht. Er beschloss, sein Inkognito zu lüften, wie er den spontanen Einfall genannt hatte, sich mit einem falschen Namen vorzustellen. So etwas konnte zu Komplikationen führen. Was schadete es, wenn Valerie ihn Johan nannte? Sie hatte keine Kenntnis von den Dingen, die auszuführen er sich vorgenommen hatte.
    Er setzte sich auf. Valerie hielt inne. Sie ahnte, dass etwas Besonderes bevorstand. Seine Blicke, die Unruhe und zunehmende Unsicherheit – dies alles hatte sie mit wohlwollender Belustigung bemerkt. Ein

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