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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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lief auch eine größere Hollywoodproduktion, allerdings mit ein paar Wochen Verspätung und nur, wenn der Film ein gehobenes Publikum ansprach und die Verleihgebühren akzeptabel waren.
    Johan ging nie ins Kino. Bei ihrem Abendessen am Montag hatte er Valerie gegenüber erwähnt, dass er nicht fernsah. Das hatte sie so verblüfft, dass er sein mangelndes Interesse fürs Kino lieber verschwieg. Er wollte von ihr nicht für einen weltfremden Sonderling gehalten werden. Deshalb gab er sich am Telefon unternehmungslustig, als Valerie vorschlug, sich einen Film anzusehen.
    Sie trafen sich in einem Kölner Traditionslokal an der U-Bahn-Haltestelle und tranken im Vorraum ein Kölsch im Stehen. Da er Valeries Neigung zum Alkohol und die Gründe dafür kannte, sah er es ihr nach, dass sie nach Wein roch. Er selbst machte sich nichts aus Bier, schloss sich ihr aber an. Es schuf Vertrautheit, wenn man das Gleiche trank.
    Sie erzählte von ihrer neuen Stelle in dem Sonnenstudio in der Merowingerstraße. Wie sehr ihr die Arbeit gefalle, obwohl sie schlechter als ihr Callcenter-Job bezahlt sei. Dafür stehe sie nicht unter Stress und habe manchmal Zeit, die Gedanken schweifen zu lassen und über die Zukunft nachzudenken. Erst heute sei ihr bewusst geworden, dass sie Sheila nicht mehr vernachlässigen dürfe. Deswegen habe sie dem Kind vorhin etwas Leckeres zubereitet und ein Gespräch in Gang gebracht. Für Sheila sei es natürlich gewöhnungsbedürftig, ihre Mutter wieder mehr um sich zu haben. Aber es sei ein guter Anfang gewesen.
    Er habe gleich eine Veränderung an ihr bemerkt, sagte Johan. Dann äußerte er sich bewundernd über Valeries gleichmäßig bronzefarbenen Teint. Er bezweifelte, dass Valerie die Wahrheit hören wollte.
    Damit lag er richtig. Valerie war der festen Überzeugung, dass sie nachbräunte. »Gehen Sie doch auch mal ins Sonnenstudio«, schlug sie beschwingt vor. »In der kalten Jahreszeit vertreibt das die trüben Gedanken. Lichttherapie, verstehen Sie? Der Körper braucht etwas Aufhellung, wenn die Tage kürzer werden.«
    »Das sehe ich. Sie strahlen ja richtig.« Diesmal meinte er es ernst.
    »Das ist die Hitze«, antwortete sie lächelnd und fächelte sich mit ihrem Mantelkragen Luft zu.
    Sie tranken aus und gingen zur U-Bahn-Station Florastraße. Auf der Zwischenebene kamen sie am Kiosk der alten Güsgen vorbei. Er war geschlossen, aber ein handschriftliches Schild wies auf neue Öffnungszeiten hin. »Mo – Fr 7 bis 19 Uhr« stand da, die Neunzehn war dick unterstrichen.
    Bisher hatte die Güsgen ihren Kiosk schon um 18 Uhr dichtgemacht und ihr Geld dann sofort zum Nachttresor gebracht. Jetzt würde sie eine Stunde später zum Rudolfplatz und wieder zurück fahren.
    »Wie praktisch!«, sagte Valerie. »Endlich kriegt man hier noch was nach Dienstschluss.«
    Johan strich die Güsgen von seiner Liste. Es fiel ihm leichter, als er angenommen hatte. Solche Unregelmäßigkeiten waren nicht zu vermeiden, dachte er. Er musste darauf gefasst sein und durfte nicht jedes Mal aus allen Wolken fallen, wenn einer der ursprünglichen 18-Uhr-33-Fahrgäste ausschied. Selbst wenn nur ein Einziger übrig blieb, wäre es genug.
    Sie fuhren mit der U-Bahn zur Severinstraße und erreichten das Kino um kurz vor acht. Im Apollo liefen drei Filme. Valerie stand unschlüssig vor den Plakatkästen.
    Offenbar hatte sie sich nicht über das Programm informiert, vermutete Johan. Er fragte sich, wie man so gedankenlos sein konnte. Man musste doch wissen, auf welche Art Schauspiel man sich einließ, bevor man sich hineinbegab. Am Ende landete man in einem Film, der ganz andere Gefühle erzeugte als die, welche man sich von ihm versprach. Vielleicht wollte man nach Herzenslust lachen und ging am Ende zu Tode betrübt nach Hause.
    Sie landeten in Broken Wings, einer Produktion aus Israel. Der Film war schon ein paar Jahre alt. Er lief im Rahmen einer Sonderreihe über den Nahen Osten. Ein Familiendrama, wie aus der Ankündigung im Programmheft hervorging.
    Johan las die Inhaltsangabe, bevor das Licht gelöscht wurde. Vom Verlust des Vaters war da die Rede, und wie seine Frau und seine Kinder damit zurechtkamen und ins Leben zurückfanden. Das schien ihm eine klare Handlung zu sein, er war für derlei Geschichten gewappnet. Johans Eltern hatten geordnete Verhältnisse hinterlassen, als sie kurz hintereinander gestorben waren. Er hatte den Ablauf ihres Todes nie in Frage gestellt, manche Krankheiten besaßen eine eigene Logik.

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