Der Vierte Tag
ein Glas Instantkaffee aus seinem Rucksack, Käthe holt den Wasserkocher aus dem oberen Schrankfach.
"Wir haben frischen Kaffee. Und eine Kaffeemaschine."
Nach wie vor traut Herr Fröhlich seinen mitgebrachten Sachen mehr als uns, traut nicht einmal unserem Leitungswasser.
"Haben Sie Flaschen mit destilliertem Wasser?"
Haben wir. Befürchtet er Schlafmittel im Leitungswasser? Das wäre keine schlechte Idee, würde aber daran scheitern, dass niemand in dem vierzig Jahre alten Bau sicher sein könnte, dass die damals entsprechend gekennzeichnete Wasserleitung wirklich nur die Intensivstation versorgt.
Das Fernsehbild hat sich wieder stabilisiert, Doris Day hüpft in einem unglaublich pinkfarbenen Kleid umher, auf dem Kopf irgendeinen Topf im selben Pink, die hohen Stöckelschuhe ebenfalls passend. Rock Hudson hat die Erfindung der Jeans nicht mitbekommen und trägt jederzeit einen dunklen Anzug mit weißem Hemd und Krawatte.
Renates Handy spielt "Freude schöner Götterfunken", Fröhlich kommt aus der Küche, meldet sich mit einem knappen "ja?", gibt an mich weiter.
"Ihre Freundin."
Celine fragt, wie es uns geht und ob auch bei uns das Gewitter sei.
Ich antworte: "Klopstock!" und erinnere sie damit an einen glücklichen Nachmittag auf Föhr, an dem uns ein Sommergewitter einen Strich durch das geplante Strandpicknick gemacht hat und in dem gemieteten Ferienhaus zum Zeitvertreib lediglich eine Reclam-Ausgabe von Werthers Leiden aufzutreiben war, die wir gemeinsam lasen. Bis zu der starken Szene, in der Lotte und Albert das Sommergewitter beobachten und Lotte, mit Tränen in den Augen, erstmals ihre Hand in die von Albert legt und 'Klopstock' sagt. Wir haben es damals nicht beim Händehalten belassen. Seitdem wollen wir eigentlich nach dieser Klopstock-Ode suchen, deren Namen Goethe leider nicht verrät, wahrscheinlich, weil sie bei seinen Lesern damals so bekannt war wie heute ein Titel von Madonna.
"Mann, reden Sie gefälligst Klartext!"
Drohend ist Herr Fröhlich neben mich getreten, vermutet hinter Klopstock einen Code. Mich reitet der Teufel.
"Es ist doch gewiss, dass in der Welt den Menschen nichts notwendig macht als die Liebe!"
Damit mache ich ihn vollends nervös, so dass er wieder einmal seine Pistole hervorholt. Nur schwer gelingt es mir, ihn zu beruhigen.
"Nur ein Scherz, Herr Fröhlich, eine gemeinsame Erinnerung!"
"Kommen Sie zum Thema. Ihre Freundin soll einfach berichten, was sie herausgefunden hat."
Das ist nicht eben viel. Gemeinsam mit ihrem Hamburger Haker-Freund hat sie aber zumindest schon einen Fuß in der Tür, sowohl beim Bundesinstitut für Arzneimittel wie auch bei Alpha Pharmaceutics.
"Eines kann ich dir jedenfalls jetzt schon verraten: Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gibt es keine Prüfung von MS 234."
Das kann ich nicht glauben.
"Habt ihr auch unter 'Pankreozystamin' gesucht?"
"Natürlich, Felix. Wir sind bei denen bisher nicht an alle Dateien im Zentralrechner gekommen, und vielleicht wird das auch in der kurzen Zeit nicht möglich sein. Aber dieses Bundesinstitut hat eine Hintertür weit offen stehen. Bei dem Umzug nach Bonn sind eine ganze Reihe seiner Mitarbeiter in Berlin geblieben, arbeiten von dort aus online, so dass wir uns Zugang zu allen laufenden Anträgen verschaffen konnten. Und da gibt's nichts zu MS 234 oder Pankreozystamin. Allzu beschäftigt scheinen die mir eh nicht."
Wie kann das sein? Laut Michael läuft die Prüfung zu dem Zeug, ist die Genehmigung so gut wie durch.
"Wesentlich mehr beschäftigt ist man dagegen bei Alpha Pharmaceutics", fährt Celine fort. "Da haben wir leider bisher kaum Zugriff auf den Zentralcomputer. Aber wir sehen eine Menge an elektronischer Aktivität, im Minutentakt laufen E-Mails zwischen ihren Niederlassungen und dem Mutterkonzern in Frankreich. Da scheint gewaltig was am Kochen zu sein. Der E-Mail-Verkehr ist verschlüsselt, wir haben den Code noch nicht geknackt. Wird aber noch, keine Sorge. Ein paar Begriffe kommen allerdings im Klartext. Sagt dir der Name Müller-Wohlgemuth was?"
Ich krame in meinem Gedächtnis, ohnehin schwach für Namen, aber zu Müller-Wohlgemuth fällt mir nichts ein.
"Und Abteilung 'R und D'? Hast du eine Ahnung, was das bedeuten könnte?" fragt Celine weiter.
„Meinst du, mit dem 'und' zwischen den Buchstaben als et-Zeichen geschrieben, wie bei ner Firma, etwa Schulz und Söhne?"
"Genau, dieses Schnörkelzeichen für 'und'."
"Das steht für Research and
Weitere Kostenlose Bücher