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Der Vierte Tag

Der Vierte Tag

Titel: Der Vierte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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deinem Leben. Seit wann hat Proband dreizehn krankhafte Werte?"
    "Na ja, also mindestens unmittelbar vor der zweiten Gabe dieser Substanz."
    Nach wie vor vermeiden wir, den Firmennamen oder die Substanz über das Handy zu erwähnen.
    "Und am Anfang?"
    "Wir haben nicht mehr genug Blut, um die Leberwerte nach der ersten Dosis zu bestimmen. Und wir haben hier nie Serum von der Ausgangsuntersuchung vor der ersten Dosis gehabt. Wir sollten ja nur die Serumspiegel nach der Substanz messen."
    Aber mit pathologischen Leberwerten in der Eingangsuntersuchung, bemerkt Michael, wäre Proband dreizehn nie als Testkandidat zugelassen worden.
    "Richtig. Also hat schon die erste Dosis von dem Zeug zu massiven Problemen mit der Leber geführt."
    Da stimmt Michael mir zu, wenn auch mit einiger Überwindung. Ich fahre fort.
    "Und auf keinen Fall hätte Proband Nummer dreizehn jemals die zweite Dosis bekommen dürfen!"
    Auch in diesem Punkt muss Michael mir recht geben, hat aber eine schlichte Erklärung: Schlamperei.
    "Du weißt, wie das läuft. Alles scheint nur noch eine Formalität, niemand erwartet mehr irgendwelche bösen Überraschungen. Also werden die Blutentnahmen gemacht und dann gibt es gleich die zweite Dosis, ohne die Ergebnisse der Blutentnahmen abzuwarten, schließlich muss der Zeitplan eingehalten werden. Oder die Zeit war da, aber niemand hat sich die Werte angeschaut. Oder irgendwer hat 'alles in Ordnung' gesagt, aber das falsche Datum eingegeben. Hundert Möglichkeiten."
    "Jedenfalls", fasse ich zusammen, "ist nicht nur die zweite Dosis das Problem, die eventuelle Überdosierung. Es soll ein Medikament auf den Weltmarkt kommen, das bei bestimmten Leuten massiv leberschädlich ist, und zwar auch bei ganz vorschriftsmäßiger Dosierung. Und der Witz ist, diese Leute können das Zeug nicht einmal mehr abbauen!"
    Wieder muss Michael zugeben, dass es jedenfalls ganz so aussieht.
    "Das sieht nicht nur so aus, Michael, tatsächlich kämpft in diesem Moment eine Frau an der künstlichen Leber um ihr Leben. Und dann der tote Müller-Wohlgemuth. Ich sage dir, da soll eine riesige Sauerei unter den Teppich gekehrt werden!"
    Es fühlt sich gut an, rechtschaffen empört zu sein. Fröhlich ist sicher stolz auf mich. Aber Michael, wenigstens teilweise abhängig von der Industrie, hat noch Einwände.
    "Ich weiß nicht, Felix. Alpha Pharmaceutics", nun hat er doch den Namen genannt, "ist ein grundsolider Verein mit eingebauten Sicherheiten, die würden so etwas nie tun."
    "Du träumst, Michael. Sicher ist die Firma mal von einem unheimlich engagierten und gewissenhaften Apotheker gegründet worden, oder von einem ebenso gewissenhaften Biochemiker. Aber jetzt steht an der Spitze ein Waschmittelkonzern, der heute ein Pharmaunternehmen kauft, weil es sich lohnt, morgen vielleicht einen Zulieferer für Autoteile oder einen Fußballclub. Da herrscht keine Apotheker-Philosophie mehr auf der Management-Etage. Da wird 'Risiken eingehen' gepredigt, und 'schneller als die Konkurrenz sein'. Ich wette, die haben schon riesige Plantagen gepflanzt von dieser Amazonaspflanze, neue Produktionsanlagen gebaut, zwei Tonnen Werbebroschüren gedruckt."
    Michael ist nicht überzeugt. "Selbst wenn die schon zehn neue Produktionsanlagen gebaut und zwanzig Tonnen Werbebroschüren gedruckt haben, es macht keinen Sinn. Es reicht eine einzige Jury in den USA, die einem geschädigten Patienten mal eben hundert Millionen Dollar zuerkennt. Und dann erst, wenn herauskommt, dass die Probleme bekannt waren! Nein, Felix, selbst deine angeblich so gewissenlosen Manager würden dieses Risiko nicht eingehen."
    Meine Frage, warum sonst Müller-Wohlgemuth mir gestern Abend ziemlich direkt Geld angeboten hat, kontert er wieder mit meiner angeblichen Paranoia. Alpha Pharmaceutics sei bekannt für ihr soziales Engagement, zum Beispiel gegenüber ihren Mitarbeitern oder in der dritten Welt. Auch in meinem Fall sei es doch nur darum gegangen, in einer gefährlichen Situation mit einem vorgestreckten Lösegeld vorübergehend auszuhelfen.
    Es gelingt Michael, mich zu verunsichern. Er hat mich nicht unbedingt von der uneigennützigen sozialen Einstellung von Alpha Pharmaceutics überzeugt, aber bei näherem Nachdenken könnten ein, zwei amerikanische Gerichtsentscheidungen tatsächlich den gesamten Konzern in die Knie zwingen. Das ergibt wirklich keinen Sinn.
    Kaum ist, mit mehr neuen als beantworteten Fragen, mein Gespräch mit Michael beendet, erklingt schon wieder Beethoven. Es

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