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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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dachte über die gewaltigen Möglichkeiten nach, die ihm seine Anwesenheit unter dem Dach einer alten Hackerin bot. Er versuchte sich an den Namen des Notars zu erinnern, der den Verkauf des Herrenhauses in den Pyrenäen abgewickelt hatte. Damals hatte er ihn gewußt. Fulgences Notar war zwangsläufig zu absolutem Stillschweigen verpflichtet. Ein Jurist, der in seinen jungen Jahren irgendeine Unkorrektheit begangen haben mußte, die Fulgence getilgt hatte. Und der in den Korb gefallen war, ein lebenslanger Vasall des Justizbeamten. Sein Name, großer Gott. Er sah wieder das vergoldete Schild an der Mauer des bürgerlichen Hauses glänzen, als er den Rechtskundigen zum Kaufdatum des Herrenhauses befragen wollte. Er erinnerte sich an einen jungen Mann, nicht älter als dreißig. Mit einigem Glück war er noch immer tätig.
    Das vergoldete Schild verschmolz in seinen Augen mit der flammenden Glut. Er erinnerte sich an einen freudlosen, enttäuschenden Namen. Langsam ging er alle Buchstaben des Alphabets durch. Desseveaux. Maître Jérôme Desseveaux, Notar. Den die eiserne Hand des Richters Fulgence bei den Eiern gepackt hielt.

44
     
    Adamsberg saß neben Josette und sah, fasziniert von ihrer ungeahnten Geschicklichkeit, zu, wie sie an ihrem Computer zu Werke ging, während ihre zierlichen, faltigen Hände über die Tastatur huschten. Auf dem Bildschirm erschienen in großer Geschwindigkeit unzählige Zahlen- und Buchstabenfolgen, denen Josette mit ebenso unverständlichen Zeilen antwortete. Adamsberg betrachtete das Gerät nicht mehr wie gewohnt, sondern als eine große Wunderlampe, aus der gleich der Geist mit dem freundlichen Angebot, ihm drei Wünsche zu erfüllen, heraussteigen würde. Freilich mußte man sie auch bedienen können, während in Aladins Zeiten der erstbeste Schwachkopf imstande war, mit dem Lappen ordentlich über die Lampe zu reiben. In Sachen Wunschäußerung waren die Dinge viel komplizierter geworden.
    »Ihr Mann ist ziemlich gut geschützt«, kommentierte Josette in ihrem vibrierenden Ton, der jedoch, sobald sie in ihrem Element war, jegliche Schüchternheit verlor.
    »Buchstäblich mit Stacheldraht, das ist sehr viel für ein Notariatsbüro.«
    »Es ist kein normales Büro. Ein Gespenst hält ihn an den Eiern gepackt.«
    »Na, dann.«
    »Schaffen Sie’s, Josette?«
    »Es gibt vier aufeinanderfolgende Verschlüsselungen. Das dauert.«
    Wie ihre Hände, so zitterte auch der Kopf der alten Dame, und Adamsberg fragte sich, ob sie bei diesem altersbedingten Zucken die Informationen auf dem Bildschirm überhaupt richtig entschlüsseln konnte. Clémentine, die darauf achtete, daß der Kommissar auch ja aufgepäppelt wurde, kam herein und stellte ein Tablett mit Keksen und Ahornsirup ab. Adamsberg betrachtete Josettes Garderobe, ihr elegantes beigefarbenes Kostüm, zu dem sie derbe rote Turnschuhe trug.
    »Warum tragen Sie Turnschuhe? Um in den verborgenen Kanälen keinen Lärm zu machen?«
    Josette lächelte. Das war möglich. Einbrecherkleidung, weich und praktisch.
    »Sie achtet auf Bequemlichkeit, das ist alles«, sagte Clémentine.
     
    »Früher«, sagte Josette, »als ich noch mit meinem Reeder verheiratet war, trug ich nur Kostüme und Perlen.«
    »Todschick alles«, bestätigte Clémentine.
    »Reich?« fragte Adamsberg.
    »Daß man nicht mehr wußte, was man damit anfangen sollte. Er behielt alles für sich. Ich zweigte hier und da kleine Summen ab für Freunde in Nöten. So fing es an. Aber damals war ich noch nicht geschickt genug, und er hat mich erwischt.«
    »Und, gab’s Ärger?«
    »Sogar großen Ärger, es hat ziemlich gekracht. Nach der Scheidung fing ich an, in seinen Konten zu stöbern, da aber hab ich mir gesagt, Josette, wenn du Erfolg haben willst, mußt du dich in großem Maßstab damit befassen. Eins gab das andere, und so kam’s. Mit Fünfundsechzig war ich soweit, in See zu stechen.«
    »Und wo haben Sie Clémentine kennengelernt?«
    »Auf dem Flohmarkt, vor gut fünfunddreißig Jahren. Mein Mann hatte mir einen Antiquitätenladen geschenkt.«
    »Damit sie nicht auf dumme Gedanken kam«, präzisierte Clémentine, die daneben stand und sich vergewisserte, daß Adamsberg die Kekse auch aß. »Alles vom Feinsten, kein Ramsch. Wir hatten unseren Spaß, nicht wahr, meine Josette?«
    »Da haben wir unseren Notar«, sagte Josette und tippte auf den Bildschirm.
    »Was du nicht sagst!« meinte Clémentine, die noch nie im Leben eine Tastatur angefaßt hatte.
    »Das ist er doch,

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