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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Schlußfolgerungen.
    Alles brach zusammen, der dünne Faden seiner Hoffnung riß jäh. Kein Denunziant, der ihn hinters Licht geführt hatte. Niemand hatte den Surintendant über seinen Gedächtnisverlust informiert. Also hatte auch niemand es so eingerichtet, daß er’s verlor, das Gedächtnis. Kein dritter Mann, der im verborgenen wirkte. Er war fatalerweise allein auf dem Pfad gewesen, mit einem Dreizack in Reichweite und Noëlla, die bedrohlich vor ihm gestanden hatte. Und seinem mörderischen Wahn im Schädel. Wie sein Bruder etwa. Oder sogar seinem Bruder folgend. Clémentine hatte sich neben ihn gestellt und reichte ihm stumm ein Glas Portwein.
    »Erzähl schon, Jungchen.«
    Adamsberg erzählte mit tonloser Stimme, die Augen zu Boden gerichtet.
    »Das sind Vorstellungen von Bullen«, sagte Clémentine sanft. »Und die Vorstellungen von Bullen und Ihre, na, das sind eben zwei Paar Schuh.«
    »Ich war allein, Clémentine, allein.«
    »Nun, das können Sie doch gar nicht wissen, wo Sie sich doch nicht erinnern. Sie und Josette haben dieses verfluchte Gespenst doch anständig in die Enge getrieben?«
    »Und was ändert das, Clémentine? Ich war allein.«
    »Das sind trübe Gedanken und sonst nix weiter«, sagte Clémentine und schob ihm das Glas zwischen die Finger.
    »Und es nützt nichts, immer wieder in seinem Schmerz zu wühlen. Sie sollten besser mit Josette in den verborgenen Kanälen weitermachen und diesen Portwein hier austrinken.«
    Josette, die stumm am Kamin sitzen geblieben war, schien etwas sagen zu wollen, besann sich dann aber eines Besseren.
    »Laß nichts umkommen, Josette, wie ich immer zu dir sage«, riet Clémentine, eine Zigarette im Mund.
    »Es ist aber ziemlich delikat«, erklärte Josette.
    »Hier geht’s doch längst nicht mehr um Delikatessen, siehste denn das nicht?«
    »Ich sagte mir, daß, wenn Monsieur Danglard – so heißt er doch, nicht wahr? – sich nicht um die Morde kümmern kann, wir selbst uns daran machen könnten. Das Problem ist nur, daß wir dabei in die Archive der Gendarmerie einsteigen müßten.«
    »Und, was stört dich daran?«
    »Er. Er ist Kommissar.«
    »Er ist es nicht mehr, Josette. Muß ich dir das denn noch hundertmal sagen. Und außerdem, Gendarmen und Bullen, das ist nicht dasselbe.«
    Adamsberg sah verloren zu der alten Frau auf.
    »Könnten Sie das, Josette?«
    »Ich bin einmal beim FBI rein, nur so zum Spaß, um mich zu entspannen.«
    »Du mußt dich nicht entschuldigen, Josette. Es ist nichts Schlechtes dabei, sich was Gutes anzutun.«
    Mit wachsendem Erstaunen betrachtete Adamsberg diese zarte kleine Frau, die aus einem Drittel Bürgertum, einem Drittel Zittern und einem Drittel Piraterie bestand.
     
    Nach dem Abendessen, zu dem Clémentine Adamsberg hatte zwingen müssen, nahm Josette sich die Polizeiarchive vor. Neben sich hatte sie einen Zettel liegen mit drei Datumsangaben, Frühjahr 1993, Winter 1997 und Herbst 1999. Von Zeit zu Zeit kam Adamsberg vorbei, um zu sehen, wie sie mit ihrer Arbeit vorankam. Abends tauschte sie ihre Turnschuhe gegen riesige graue Hausschuhe ein, die an ihr wie die zarten Füße eines Elefantenjungen wirkten.
    »Sind sie sehr geschützt?«
    »Wachtürme überall, das war zu erwarten. Wenn ich eine Akte da drinnen hätte, würde ich auch nicht wollen, daß jede x-beliebige Alte in Turnschuhen darin herumschnüffelt.«
    Clémentine war schlafen gegangen, und Adamsberg blieb allein vor dem Kamin zurück, verknotete und entknotete seine Finger, die Augen auf die Feuerstätte gerichtet. Er hörte nicht, wie Josette zu ihm kam, da ihre Schritte von den dicken Hausschuhen gedämpft wurden. Den dicken Hackerschuhen, genauer gesagt.
    »Da, Kommissar«, sagte Josette nur und zeigte ihm ein Blatt, in aller Bescheidenheit, als hätte sie just ihre Arbeit gut gemacht, ohne eine Ahnung von ihrem Talent: schlicht eine Crème, die sie zubereitet hatte, indem sie Achten in ihrem Computer zog. »Im März 1993, zweiunddreißig Kilometer von Saint-Fulgent entfernt, eine vierzigjährige Frau, Ghislaine Matère, in ihrer Wohnung ermordet mit drei Stichen in den Leib. Sie lebte allein in einem Landhaus. Im Februar 1997, vierundzwanzig Kilometer hinter Pionsat, ein junges Mädchen, durch drei Stiche mit einem Eisen in den Bauch getötet, Sylviane Brasillier. Sie stand an einem Sonntagabend allein an einer Bushaltestelle. Im September 1999, ein sechsundsechzigjähriger Mann, Joseph Fèvre, dreißig Kilometer von Solesmes entfernt. Drei Stiche

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