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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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sicher nicht den ortsansässigen Arzt kommen lassen. Er hätte einen anonymen Dienst, einen Notarzt angerufen, solche Leute, die man nur einmal sieht und die einen gleich darauf wieder vergessen.«
    »Verstehe«, sagte Josette. »Doch diese Dienste werden ihre Unterlagen kaum länger als fünf Jahre aufheben.«
    »Was unsere Nachforschungen auf Maxime Leclerc reduzieren würde. Das heißt, wir müßten uns in den Notfallstationen im Gebiet Niederrhein umsehen und herausfinden, ob nicht eventuell ein Arzt im Schloß des Untoten vorbeigeschaut hat.«
    Josette hängte den Schürhaken auf, rückte ihre Ohrringe zurecht und schob die Ärmel ihres Pullovers wieder hoch. Um ein Uhr morgens schaltete sie ihr Gerät von neuem ein. Adamsberg blieb allein vor dem Kamin zurück und legte noch einmal zwei Scheite nach, angespannt wie ein Vater, der auf die Geburt seines Kindes wartet. Es war ein neuer Aberglaube von ihm, sich von Josette fernzuhalten, solange sie Aladins Wunderlampe bediente. Saß er neben ihr, fürchtete er zu sehr, sie bei einem entmutigenden Gesichtsausdruck oder einer enttäuschten Miene zu ertappen. Er wartete regungslos, versunken in seinen gespenstischen Gang über den Tragestellen-Pfad. Und allein an die winzige Hoffnung geklammert, die sich Stück für Stück aus den heimlichen Forschungen der alten Frau ergab. Die er Strang für Strang in die Wabenzellen seines Denkens hineinlegte. Inständig flehend, daß unter der Genieflamme seiner kleinen Hackerin die Verschlüsselungen wie Blei schmolzen. Er hatte die Begriffe notiert, die sie benutzte, um die sechs Härtegrade dieser Verschlüsselungen zu bezeichnen, das waren in aufsteigender Reihenfolge: kinderleicht, knifflig, zäh, Stacheldraht, Beton, Wachturm. Und die Wachtürme des FBI hatte sie einmal geknackt. Er richtete sich auf, als er das Schlurfen der Hausschuhe in dem kleinen Flur vernahm.
    »Da«, verkündete Josette. »Es war ziemlich zäh, aber ich bin durchgekommen.«
    »Erzählen Sie rasch«, sagte Adamsberg und stand auf.
    »Maxime Leclerc hat vor zwei Jahren einen Notarzt angerufen, am 17. August, um vierzehn Uhr vierzig. Sieben Wespenstiche hatten am Hals und an der unteren Gesichtshälfte ein schlimmes Ödem hervorgerufen. Sieben. Der Doktor war nach fünf Minuten dort. Um zwanzig Uhr hat er noch einmal vorbeigeschaut und ihm eine zweite Spritze gegeben. Den Namen des behandelnden Arztes habe ich auch, Vincent Courtin. Ich habe mir erlaubt, seine persönlichen Angaben ausfindig zu machen.«
    Adamsberg legte seine Hände auf Josettes Schultern. Unter seinen Handflächen spürte er die Knochen.
    »In letzter Zeit bewegt sich mein Leben zwischen den Händen von Zauberinnen. Sie werfen es sich gegenseitig zu wie einen Ball und retten es unaufhörlich vor dem Abgrund.«
    »Stört Sie das?« fragte Josette ernst.
     
    Er weckte seinen Stellvertreter um zwei Uhr morgens.
    »Bleiben Sie im Bett, Danglard. Ich will Ihnen nur eine Nachricht hinterlassen.«
    »Ich schlafe weiter und höre Ihnen zu.«
    »Als der Richter starb, waren viele Fotos in den Zeitungen abgedruckt. Wählen Sie vier davon aus, zwei im Profil, eins von vorn und eins im Dreiviertelprofil, und bitten Sie die Leute im Labor um eine künstliche Alterung des Gesichts.«
    »In jedem guten Lexikon finden Sie hervorragende Abbildungen von Totenschädeln.«
    »Es ist ernst, Danglard, und hat Vorrang. Auf einem fünften Porträt, von vorn, erbitten Sie zusätzlich noch eine Schwellung am Hals und am Gesicht, als wäre der Mann von Wespen gestochen worden.«
    »Wenn’s Ihnen Spaß macht«, sagte Danglard resigniert.
    »Lassen Sie mir die Bilder so bald wie möglich zukommen. Und vergessen Sie die Suche nach den fehlenden Morden. Ich hab sie alle drei rausgekriegt, ich schicke Ihnen die Namen der neuen Opfer zu. Schlafen Sie weiter, Capitaine.«
    »Ich bin gar nicht aufgewacht.«

45
     
    Auf seinem falschen Dienstausweis hatte Brézillon ihm einen Namen gegeben, den er sich nur schwer einprägen konnte. Adamsberg las ihn sich nochmals leise durch, bevor er den Arzt anrief. Vorsichtig nahm er sein Mobiltelefon heraus. Seitdem seine Hackerin sein Telefon »aufgerüstet« hatte, ragten wie bei einem Insekt, das seine Beine ausstreckte, hier und da sechs rote und grüne Kabelenden heraus und auch zwei kleine Schräubchen für den Frequenzwechsel, die wie ein Paar seitliche Augen aussahen. Adamsberg benutzte es wie einen geheimnisvollen Skarabäus. Er traf Doktor Courtin zu Hause an, es war ein

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