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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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jeden Mord vier gleiche Messer oder Stecheisen beschaffen: drei, von denen er die Klingen abmacht und am Dreizack befestigt, und eins, das er dem Sündenbock in die Hand drückt.«
    »Genau, und das ist schließlich keine komplizierte Aufgabe. Aus diesem Grund ist die Mordwaffe auch jedesmal ein gebräuchlicher Gegenstand und vor allem neu. Ein nagelneues Werkzeug in der Hand eines Landstreichers, finden Sie das logisch?«
    Danglard strich sich lange übers Kinn.
    »Aber so ist er bei der jungen Lise nicht vorgegangen«, sagte er. »Da hat er mit seinem Dreizack getötet und dann jede der Wunden mit dem Stecheisen nachgebohrt.«
    »So ist es auch im Fall Nummer vier, dem des anderen beschuldigten Jugendlichen, ebenfalls in einem Dorf. Vermutlich hat der Richter gedacht, daß eine Untersuchung über die Herkunft einer neuen Waffe im Besitz eines so jungen Mannes in die Sackgasse führen und die Täuschung auffliegen würde. Also hat er lieber ein altes Stecheisen gewählt, länger als die Zinken seines Dreizacks, und die Einstiche auf diese Weise entstellt.«
    »Klingt schlüssig«, gab Danglard zu.
    »So schlüssig wie eine Intarsienarbeit, bei der ein Teil fest ins andere greift. Derselbe Mann, dasselbe Gerät. Denn ich hab’s überprüft, Danglard. Nachdem der Richter weggezogen war, habe ich das Herrenhaus von unten bis oben durchsucht. Die Geräte waren in der Scheune geblieben, nicht aber der Dreizack. Er hatte das kostbare Instrument mitgenommen.«
    »Wenn die Zusammenhänge derart offenkundig sind, warum ist die Wahrheit dann nicht schon früher bekannt geworden? In den vierzehn Jahren Ihrer Jagd auf ihn?«
    »Aus vier Gründen, Danglard. Zunächst einmal, weil alle, verzeihen Sie mir, genauso gedacht haben wie Sie und es dabei bewenden ließen: verschiedene Waffen und Wunden und folglich nicht derselbe Mörder. Dann die geographisch voneinander isolierten Ermittler, fehlende Vernetzung zwischen den Regionen, Sie kennen ja das Problem. Schließlich, weil jedesmal ein idealer Täter mit dem Schlüssel in der Hand dasaß. Und vergessen Sie zudem nicht die Macht des Richters, die ihn sozusagen unangreifbar machte.«
    »Ja, aber Sie, warum haben Sie sich nicht zu Wort gemeldet, nachdem Sie alle diese Anklagepunkte zusammenhatten?«
    Über Adamsbergs Gesicht huschte ein trauriges Lächeln.
    »Wegen absoluten Mangels an Glaubwürdigkeit. Jeder Justizbeamte wußte sofort, daß ich persönlich in den Fall verwickelt war, und hielt meine Anklage für befangen und zwanghaft. Alle waren überzeugt davon, daß ich jede erdenkliche Verrücktheit begangen hätte, um Raphaëls Unschuld zu beweisen. Sie etwa nicht, Danglard? Und meine Vermutungen hatten den mächtigen Richter gegen sich. Man hat mich nie wirklich weit kommen lassen. ›Geben Sie es endlich zu, Adamsberg, daß Ihr Bruder dieses Mädchen getötet hat. Daß er verschwunden ist, beweist es.‹ Am Ende wurde mir ein Prozeß wegen Verleumdung angedroht.«
    »Blockade«, faßte Danglard zusammen.
    »Und, sind Sie überzeugt, Capitaine? Begreifen Sie, daß der Richter schon fünfmal getötet hatte, bevor er sich an Lise vergriff, und danach noch zwei weitere Male? Acht Morde innerhalb von vierunddreißig Jahren. Das ist mehr als ein Serienmörder, das ist die trockene und gewissenhafte Arbeit eines ganzen Lebens, wohldosiert, sorgfältig geplant, gut verteilt. Die fünf ersten Verbrechen habe ich durch Archivrecherchen ausfindig gemacht, und vielleicht habe ich auch welche übersehen. Bei den zwei folgenden spürte ich dem Richter nach und verfolgte ständig die Tagespresse. Fulgence wußte, daß ich nicht nachgeben würde, und so trieb ich ihn unablässig vor mir her. Aber immer wieder entwischte er mir. Und Sie sehen ja, Danglard, es ist noch nicht vorbei. Fulgence steigt aus seinem Grab: Vor kurzem hat er zum neuntenmal gemordet, in Schiltigheim. Es ist seine Handschrift, ich weiß es. Drei Einstiche auf einer Linie. Ich muß noch vor Ort nachmessen, aber Sie werden sehen, Danglard, diese Linie wird nicht länger als 16,9 Zentimeter sein. Das Stecheisen war neu. Der Beschuldigte ist ein Obdachloser, er ist Alkoholiker, und er kann sich an nichts erinnern. Alles ist da.«
    »Trotzdem«, sagte Danglard und verzog das Gesicht, »wenn wir Schiltigheim mit einbeziehen, ergibt das eine Mordfolge, die sich über vierundfünfzig Jahre erstreckt. So etwas hat es in der Kriminalgeschichte noch nie gegeben.«
    »Den Dreizack hat es noch nie gegeben. Ein Ausnahmemonster. Ich

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