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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Länge, ließ kein Detail aus, Blaubarts Dachboden, seinen Stall, sein Gartenhäuschen, sein Badezimmer, und nannte den Besitzer nur »den Richter« oder auch »den Toten« oder »das Gespenst«. Zwar bekam Danglard keinen Wutanfall, aber immerhin lief ein unwilliges Interesse über das Gesicht des Capitaine.
    »Ist doch interessant, oder?« sagte Adamsberg. »Dieser für alle unsichtbare Mann, diese kaum spürbare Anwesenheit?«
    »Misanthrop«, wandte Danglard mit beherrschter Stimme ein.
    »Aber ein Misanthrop, der alle seine Spuren verwischt? Der – und auch das nur durch einen unglücklichen Zufall – lediglich ein paar schneeweiße Haare zurückläßt?«
    »Sie werden mit diesen Haaren nichts anfangen können«, murmelte Danglard.
    »Doch, Danglard, ich kann sie vergleichen.«
    »Womit?«
    »Mit denen, die sich im Grab des Richters in Richelieu befinden. Man brauchte nur um eine Exhumierung zu bitten. Haare halten sich lange. Mit ein wenig Glück …«
    »Was ist das?« unterbrach ihn Danglard mit veränderter Stimme. »Dieses Pfeifen?«
    »Der Druckausgleich in der Kabine, das ist normal.«
    Danglard lehnte sich mit einem langen Seufzer wieder in seinen Sitz zurück.
    »Aber ich konnte mich einfach nicht mehr daran erinnern, was Sie mir über die Bedeutung des Namens ›Fulgence‹ gesagt haben«, log Adamsberg.
    »Kommt von fulgur, Blitz, Leuchten«, konnte Danglard nicht widerstehen. »Oder vom Verb fulgeo: Blitze schleudern, leuchten, erhellen, glänzen. Im übertragenen Sinne: glänzen, berühmt sein, mit großem Aufsehen in Erscheinung treten.«
    Adamsberg merkte sich nebenher die neuen Bedeutungen, die sein Stellvertreter von seinen Bildungsrollen abspulte.
    »Und ›Maxime‹? Was sagen Sie zu ›Maxime‹?«
    »Erzählen Sie mir nicht, das wüßten Sie nicht«, grummelte Danglard. »Maximus: der Größte, der Bedeutendste.«
    »Ich habe Ihnen noch nicht verraten, unter welchem Namen unser Mann das Schloß gekauft hatte. Interessiert Sie das?«
    »Überhaupt nicht.«
    In Wirklichkeit war sich Danglard sehr wohl bewußt, welche Anstrengungen Adamsberg unternahm, um ihn von seiner Angst abzulenken, und obwohl ihn die Geschichte mit dem Schloß verärgerte, war er ihm dankbar für seine Fürsorge. Noch sechs Stunden und zwölf Minuten Flug. Im Moment waren sie über dem Atlantik, und dort würden sie auch noch eine ganze Weile bleiben.
    »Maxime Leclerc. Was sagen Sie dazu?«
    »Daß der Name Leclerc sehr häufig vorkommt.«
    »Jetzt sind Sie aber unfair. Maxime Leclerc: der Größte, der Hellste, der Strahlende. Der Richter hat sich nicht entschließen können, sich einen ganz gewöhnlichen Namen zuzulegen.«
    »Mit Worten läßt sich wie mit Zahlen spielen, am Ende sagen sie, was man will. Man kann sie zu unendlich vielen Varianten verdrehen.«
    »Wenn Sie sich nicht so an Ihre Rationalität klammern würden«, beharrte Adamsberg aus reiner Provokation, »würden Sie zugeben, daß es bei meinem Standpunkt zum Fall Schiltigheim interessante Überlegungen gibt.«
    Der Kommissar hielt eine wohltätige Stewardeß an, die vor dem erloschenen Blick des Capitaine mit Sektbechern vorbeiging. Nachdem Froissy abgelehnt hatte, nahm er zwei Gläser, die er Danglard in die Hand drückte.
    »Trinken Sie«, befahl er. »Beide, aber nur eins auf einmal, wie Sie sich versprochen hatten.«
    Danglard erwies ihm mit einem kurzen Nicken seine matte Dankbarkeit.
    »Denn mein Standpunkt«, fuhr Adamsberg fort, »ist vielleicht nicht unbedingt richtig, aber falsch ist er nun auch wieder nicht.«
    »Wer hat Ihnen denn das erzählt?«
    »Clémentine Courbet. Erinnern Sie sich an sie? Ich habe sie besucht.«
    »Wenn Sie jetzt schon die Aussprüche der alten Clémentine zu Ihren Leitsätzen machen, rennt wohl bald die ganze Brigade ins Verderben.«
    »Kein Pessimismus, Danglard. Aber es ist schon richtig, daß man mit Namen unendlich spielen kann. Zum Beispiel mit meinem. Adamsberg, der Berg von Adam. Dem Ersten der Menschen. Das ergibt einen imposanten Kerl, was? Noch dazu auf einem Berg. Ich frage mich, ob es nicht überhaupt daher kommt, dieses …«
    »Münster von Straßburg«, fuhr Danglard dazwischen.
    »Nicht wahr? Und Ihr Name, Danglard, was machen wir damit?«
    »So ähnlich heißt der Verräter im Graf von Monte Christo. Ein richtiges Schwein.«
    »In der Tat interessant.«
    »Aber es gibt noch was Besseres«, sagte Danglard, der seine beiden Sektgläser bereits hintergekippt hatte. »Er kommt von d’Anglard, und

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