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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Anglard kommt von dem Germanischen Angil-hard.«
    »Na los, mein Lieber, übersetzen Sie’s.«
    »In Angil verbinden sich zwei Wortursprünge: ›Schwert‹ und ›Engel‹. Und hard bedeutet ›hart‹.«
    »Was eine Art unnachgiebigen, schwertschwingenden Engel ergibt. Ist ja viel schlimmer als dieser arme Erste Mensch, der ganz allein auf seinem Berg herumfuchtelt. Das Straßburger Münster scheint ja ziemlich dürftig ausgestattet, um gegen Ihren Racheengel etwas ausrichten zu können. Wo es noch dazu verstopft ist.«
    »Ach was?«
    »Ja, von einem Drachen.«
    Adamsberg warf einen Blick auf seine Uhren. Noch fünf Stunden und vierundvierzigeinhalb Minuten Flug. Er fühlte, daß er auf dem richtigen Weg war, aber wie lange würde er das durchhalten? Sieben Stunden lang hintereinander zu reden, das war ihm noch nie passiert.
    Plötzlich schnitten ihm Lichtzeichen, die über den Sitzen blinkten, den richtigen Weg wieder ab.
    »Was bedeutet das?« fragte Danglard beunruhigt.
    »Schnallen Sie sich an.«
    »Aber warum, schnallen Sie sich an?«
    »Luftlöcher, ist nicht schlimm. Es kann ein bißchen ruckeln, das ist schon alles.«
    Adamsberg flehte zum Ersten Menschen, er möge die Ruckelei geringhalten. Aber der Erste Mensch war anderweitig beschäftigt und scherte sich einen Dreck darum. Unglücklicherweise waren die Turbulenzen auch noch sehr heftig und ließen die Maschine in mehrere Meter tiefe Hohlräume fallen. Die gleichgültigsten Passagiere mußten mit dem Lesen aufhören, die Stewardessen sich an den Klappsitzen festschnallen, und eine junge Frau schrie kurz auf. Danglard hatte die Augen geschlossen und atmete sehr schnell. Hélène Froissy beobachtete ihn sorgenvoll. Auf eine Eingebung hin drehte sich Adamsberg zu Retancourt um, die hinter dem Capitaine saß.
    »Lieutenant«, sagte er leise in den Spalt zwischen den Sitzen, »Danglard hält nicht durch. Könnten Sie vielleicht eine einschläfernde Massage machen? Oder irgendwas anderes, das ihn betäubt, das ihn abstumpft und narkotisiert?«
    Retancourt willigte ein, was Adamsberg nicht sonderlich überraschte.
    »Das funktioniert aber nur«, sagte sie, »wenn er nicht weiß, daß es von mir kommt.«
    Adamsberg nickte.
    »Danglard«, sagte er zu ihm und ergriff seine Hand, »lassen Sie die Augen zu, eine Stewardeß wird sich um Sie kümmern.«
    Er gab Retancourt ein Zeichen, daß sie anfangen könne.
    »Offnen Sie drei Knöpfe an seinem Hemd«, bat sie und löste ihren Gurt.
    In einem rasanten, pianomäßigen Tanz, bei dem sie nur ihre Fingerkuppen aufzudrücken schien, machte sich Retancourt über Danglards Hals her, folgte dabei dem Lauf der Wirbelsäule und verweilte mit besonderer Intensität bei den Schläfen. Froissy und Adamsberg beobachteten das Unternehmen inmitten des ruckelnden Flugzeugs und sahen abwechselnd auf Retancourts Hände und auf Danglards Gesicht. Der Capitaine schien langsamer zu atmen, dann entspannten sich seine Züge, und weniger als fünfzehn Minuten später schlief er.
    »Hat er Beruhigungsmittel genommen?« fragte Retancourt und löste einen Finger nach dem anderen vom Nacken des Capitaine.
    »Eine ganze Wagenladung voll.«
    Retancourt sah auf ihre Uhr.
    »Er muß in der vergangenen Nacht kein Auge zugetan haben. Er wird mindestens vier Stunden schlafen, wir haben erst einmal Ruhe. Wenn er aufwacht, sind wir schon über Neufundland. Land beruhigt.«
    Adamsberg und Froissy sahen sich kurz an.
    »Sie verblüfft mich«, murmelte Froissy. »Sie würde einen Liebeskummer im Vorbeigehen wie eine Laus zerdrücken.«
    »Das sind nie Läuse, Froissy, es sind immer hohe Mauern. Und es ist keine Schande, wenn man das Hinaufsteigen schwierig findet.«
    »Danke«, murmelte Froissy.
    »Sie wissen, Lieutenant, daß mich Retancourt nicht mag.«
    Froissy widersprach nicht.
    »Hat sie Ihnen gesagt, warum?« fragte er.
    »Nein, sie spricht nicht über Sie.«
    Ein 142 Meter hoher Turm kann ins Schwanken geraten, nur weil eine dicke Retancourt es nicht einmal für nötig befindet, über einen zu sprechen, dachte Adamsberg. Er warf einen Blick auf Danglard. Der Schlaf gab ihm Farbe zurück, und die Luftlöcher ließen nach.
     
    Das Flugzeug war schon im Landeanflug, als der Capitaine überrascht aufwachte.
    »Das liegt an der Stewardeß«, erklärte Adamsberg. »Sie ist Spezialistin. Zum Glück wird sie auch auf dem Rückflug mit dabeisein. Wir landen in zwanzig Minuten.«
    Abgesehen von zwei Rückfällen in die Angst, als die Maschine lärmend ihr

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