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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Fahrgestell ausfuhr und die Tragflächen ihre Bremsklappen aufstellten, bestand Danglard, noch unter dem Eindruck seiner schmerzlindernden Massage, die Landeprüfung beinah fehlerfrei. Bei der Ankunft war er ein neuer Mensch, während die übrigen Mitglieder schläfrige Mienen vor sich her trugen. Zweieinhalb Stunden später war jeder in sein Zimmer verfrachtet. In Anbetracht der Zeitverschiebung würde der Lehrgang am nächsten Tag erst um vierzehn Uhr Ortszeit beginnen.
    Adamsberg hatte Anrecht auf ein Zweizimmerappartement im fünften Stock gehabt, so neu und weiß wie eine Musterwohnung, das über einen Balkon verfügte. Gotisches Privileg. Er lehnte sich eine Weile über die Brüstung, um den gewaltigen Ottawa River zu betrachten, der da unten zwischen wilden Steilufern dahinfloß, und auf dem jenseitigen Ufer die Lichter der Türme von Ottawa.

17
     
    Am nächsten Tag hielten vor dem Gebäude drei Wagen der GRC. Unübersehbar zeigten sie auf ihren weißen Seitenflächen den Kopf eines Bisons mit halb sanftmütigem, halb grimmigem Ausdruck, umrahmt von Ahornblättern und der englischen Krone darüber. Drei Männer in Uniform erwarteten die Franzosen. Der eine, den Adamsberg an seinen Schulterstücken als den Surintendant identifizierte, neigte sich zu seinem Nebenmann.
    »Was glaubst du, welcher ist der Kommissar?« fragte er seinen Kollegen.
    »Der Kleinste. Der Dunkelhaarige mit der schwarzen Jacke.«
    Adamsberg hatte ihre Worte so ungefähr mitbekommen. Brézillon und Trabelmann wären zufrieden gewesen: der Kleinste. Zugleich wurde seine Aufmerksamkeit durch kleine schwarze Eichhörnchen abgelenkt, die so unbekümmert und lebhaft wie Spatzen auf der Straße herumhüpften.
    »Criss, quatsch doch keinen Blödsinn«, fuhr der Surintendant fort. »Der, der wie ein armer Schlucker angezogen ist?«
    »Reg dich nicht auf, ich sage dir, der ist es.«
    »Ist es nicht eher der große, gutangezogene Slack?«
    »Ich sage dir, es ist der Dunkelhaarige. Und er ist ein bedeutender Boß da drüben, ein As. Also laß bloß die Kinnbacken zu.«
    Der Surintendant Aurèle Laliberté nickte und ging mit ausgestreckter Hand auf Adamsberg zu.
    »Willkommen, Kommissar. Nicht zu sehr verteppert durch die Reise?«
    »Danke, alles in Ordnung«, antwortete Adamsberg vorsichtig. »Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
    In einer peinlichen Stille drückte jeder jedem die Hand.
    »Tut mir leid wegen dem Wetter«, erklärte Laliberté mit seiner kräftigen Stimme und einem breiten Lächeln. »Der Frost kam ganz plötzlich. Steigen Sie in die Karren, wir haben zehn Minuten Weg vor uns. Wir werden Ihnen heute zur Eröffnung nicht gleich auf die Nerven gehen«, fügte er hinzu und lud Adamsberg ein, in seinem Wagen Platz zu nehmen. »Nur so ein kleines Kennenlernen.«
     
    Der Stützpunkt der GRC lag in einem bewaldeten Park, der sich so weit zu erstrecken schien wie ein französischer Wald. Laliberté fuhr langsam, und Adamsberg hatte beinah die Zeit, jeden Baum einzeln zu betrachten.
    »Sie haben Platz hier«, sagte er beeindruckt.
    »Ja. Wie wir hier sagen, wir haben zwar keine Geschichte, dafür aber Geographie.«
    »Und sind das dort Ahornbäume?« fragte er und zeigte mit dem Finger durch die Scheibe.
    »Ganz genau.«
    »Ich dachte, die Blätter seien rot.«
    »Findstsa nich rot genug nich, Kommissar? Die Blätter sind nicht wie auf der Flagge. Es gibt rote, orange, gelbe. Wir würden uns sonst langweilen. Und du bist also der große Chef zur Zeit?«
    »So ist es.«
    »Für einen Kommissar schmeißt du dich ja nicht gerade in Wichs. Lassen Sie euch in Paris so rumlaufen?«
    »In Paris bedeutet Polizei nicht Armee.«
    »Reg dich ab. Ich hab kein Hintertürchen und rede ohne Umschweife. Besser, du weißt es gleich. Siehsta diese Gebäude, siehsta? Das ist die GRC, und da bleiben wir«, sagte er und bremste.
    Die Gruppe aus Paris versammelte sich vor großen Würfeln aus Backstein und Glas, die funkelnagelneu inmitten roter Bäume standen. Ein schwarzes Eichhörnchen bewachte knabbernd die Eingangstür. Adamsberg blieb ein wenig zurück, um Danglard zu befragen.
    »Ist das hier Brauch, alle Welt zu duzen?«
    »Ja, sie machen das auf eine ganz natürliche Weise.«
    »Müssen wir es genauso machen?«
    »Wir machen’s, wie wir wollen und wie wir können. Wir passen uns einfach an.«
    »Die Bezeichnung, die er Ihnen gegeben hat? Der große Slack, was bedeutet das?«
    »Der wabbelige Lulatsch.«
    »Verstanden. Na, wie er selbst gesagt

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