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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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mir anhaben?«
    »Und auch der Vergewaltiger. Ich bin nicht sicher, ist so ein Gerücht. Aber wenn Noëlla nachts dort langläuft, geht sie nie weiter als bis zum Champlain-Stein. Das reicht ihr, um sich den Strom anzugucken.«
    »Es heißt, es wär ein Fluß.«
    Noëlla schmollte.
    »Wenn es derart riesig ist, nenn ich so was Strom. Ich habe den ganzen Tag lang blöde Franzosen bedient, ich bin total am Ende. Ich kellnere im Karibu, hab ich’s dir erzählt? Ich mag Franzosen nicht, wenn sie so in der Gruppe rumschreien, da mag ich die Leute aus Quebec lieber, die sind netter. Außer mein Schumm. Erinnerst du dich, daß er mich wie ein Schwein abserviert hat?«
    Das junge Mädchen war wieder in Fahrt, und Adamsberg sah kaum eine Möglichkeit, sie loszuwerden.
    »Hier, sieh dir sein Foto an. Schön, findest du nicht? Du bist auch auf eine Art schön. Nicht alltäglich, ein bißchen von dem und von jenem, und du bist kein junger Mann. Aber ich mag deine Nase, deine Augen. Und ich mag’s, wenn du lächelst«, sagte sie und berührte ganz leicht seine Lider und die Lippen. »Und auch, wenn du sprichst. Deine Stimme. Das mit deiner Stimme weißt du doch?«
    »Hey, Noëlla«, der Kellner trat dazwischen und legte die Rechnungen auf den Tisch. »Hasta noch deinen Job im Karibu?«.
    »Ja, ich muß doch das Geld für das Flugticket zusammenkriegen, Michel.«
    »Und bläst du immer noch Trübsal wegen deinem Schumm?«
    »Manchmal schon, abends. Manche Menschen sind morgens deprimiert und andere abends. Ich bin’s abends.«
    »Na, traure ihm bloß nicht nach. Er ist von den Cops geschnappt worden.«
    »Wirklich?« sagte Noëlla und richtete sich auf.
    »Ich quatsch keinen Blödsinn. Er hat Karren geklaut und sie mit neuen Nummernschildern weiterverkauft. Kannst du dir das vorstellen?«
    »Das glaube ich dir nicht«, sagte Noëlla und schüttelte den Kopf. »Er hat in der Computerbranche gearbeitet.«
    »Bist schwer von Kapee, meine Kleine. Dein Schumm war ein Schlitzohr, ein Heuchler. Knips mal die Lichter an, Noëlla. Das ist kein Scherz, es stand in der Zeitung.«
    »Davon habe ich nichts gewußt.«
    »Schwarz auf weiß in der Huiler Tageszeitung. Eines Abends hat er sich einen ins Jackett gekloppt, und die Cochs kriegten ihn bei den Nüssen. Er hat ’n Ding kassiert, und ich kann dir sagen, der ist noch nicht raus aus ’m Wald. Das war ein verdammt falscher Hund, dein Schumm. Also setz dich drauf und dreh dich rum. Ich hatte Lust, es dir zu erzählen, damit du ihm nicht nachtrauerst. Entschuldige, da ruft ein Tisch nach mir.«
    »Ich fasse es nicht«, sagte Noëlla und puhlte den zuckrigen Satz ihres Kaffees aus der Tasse. »Stört’s dich sehr, wenn ich ein Glas mit dir trinke? Ich muß mich erst mal wieder einkriegen.«
    »Zehn Minuten«, räumte Adamsberg ein. »Dann gehe ich schlafen«, beharrte er.
    »Ich verstehe«, sagte Noëlla und bestellte ihr Glas Wein.
    »Du bist ein beschäftigter Mann. Kannst du dir das vorstellen? Mein Schumm?«
    »›Also setz dich drauf und dreh dich rum‹«, wiederholte Adamsberg. »Was rät er dir da? Zu vergessen? Alles auszulöschen?«
    »Nein. Das bedeutet: ›Verweil einen Moment bei der Sache und denk gut drüber nach.‹«
    »Und ›sich einen ins Jackett kloppen‹?«
    »Sich vollaufen lassen. Das reicht jetzt aber, Noëlla ist kein Wörterbuch.«
    »Ich wollte ja nur deine Geschichte verstehen.«
    »Tja, wie du siehst, ist sie noch viel blöder, als ich gedacht habe. Jetzt brauche ich ein bißchen Ablenkung«, sagte sie und trank ihr Glas in einem Zug aus. »Ich begleite dich zurück.«
    Überrascht, zögerte Adamsberg mit einer Antwort.
    »Ich bin mit dem Auto hier und du zu Fuß«, erklärte Noëlla ungeduldig. »Oder hast du etwa vor, den Pfad zurückzulaufen?«
    »Das war meine Absicht.«
    »Es gießt in Strömen. Erschrecke ich dich? Macht sie einem vierzigjährigen Mann Angst? Einem Coch?«
    »Aber nein«, sagte Adamsberg lächelnd.
    »Gut. Wo wohnst du?«
    »In der Nähe der Rue Prévost.«
    »Kenne ich, ich wohn drei Straßen weiter. Komm.«
    Adamsberg erhob sich und verstand nicht, warum er so zögerte, einem entzückenden Mädchen in ihren Wagen zu folgen.
    Noëlla hielt vor seinem Wohnblock, Adamsberg bedankte sich und öffnete schon die Wagentür.
    »Gibst du mir keinen Kuß zum Abschied? Für einen Franzosen bist du aber nicht gerade höflich.«
    »Entschuldige, ich bin ein Bergmensch. Ein ungehobelter Klotz.«
    Mit starrem Gesichtsausdruck küßte Adamsberg sie

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