Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
hundertmal mehr über deren verdammtes Sperma als diese beiden Blödköppe.«
    »Vergiß es, Aurèle«, riet Adamsberg. »Die beiden Typen können dir doch egal sein.«
    »Ich nehm es eben persönlich, Adamsberg. Geh ruhig zu den Frauen heute abend, wenn dir danach ist, ich aber werde diesen beiden Dickschädeln nach dem Abendessen einen Besuch abstatten und ihnen mal die Uhrzeit gongen.«
    An diesem Tag begriff Adamsberg, daß die überbordende Jovialität des Surintendant eine ebenso feurige Kehrseite besaß. Ein herzlicher Kerl, direkt und taktlos, zugleich aber auch ein verbohrter, bedingungsloser Choleriker.
    »Hoffentlich hast nicht du ihn so fuchsig gemacht?« fragte der Sergent Sanscartier Adamsberg beunruhigt.
    Sancartier sprach leise und stand in der etwas gekrümmten Haltung eines Schüchternen da.
    »Nein, es ist wegen dieser beiden Idioten, die sich geweigert haben, den weiblichen Tandems ihre Reagenzgläser zu geben.«
    »Ist auch besser so. Kann’ch dir einen Rat geben?« fügte er hinzu und blickte Adamsberg aus seinen überströmenden Augen an.
    »Ich höre.«
    »Er ist ein guter Schumm, aber wenn er einen Witz macht, soll man besser drüber lachen und die Kinnbacken zuhalten. Ich meine, provoziere ihn nicht. Denn wenn der Boß so richtig in Furt gerät, wackeln die Bäume.«
    »Passiert ihm das oft?«
    »Wenn man ihm widerspricht oder wenn er mit dem falschen Ende aufgestanden ist. Weiß du, daß wir Montag im Tandem sind?«
     
    Nach einem organisierten Gruppenabendessen in den Fünf Sonntagen, bei dem die erste, kurze Woche gefeiert wurde, ging Adamsberg durch den Wald zurück. Er kannte seinen Pfad jetzt gut, witterte seine Spalten und Senken, erkannte das Glitzern der Uferseen und kam schneller durch als auf dem Hinweg. Auf halber Strecke war er stehengeblieben, um seinen Schnürsenkel zuzubinden, als ein Lichtstrahl ihn traf.
    »Hey, Mensch!« rief eine kräftige, aggressive Stimme.
    »Was bleibst ’n da stehen? Suchsta was?«
    Adamsberg hielt seine Taschenlampe ebenfalls hoch und entdeckte einen stämmigen Kerl, der ihn breitbeinig beobachtete. Er war angezogen wie ein Waldarbeiter, auf dem Kopf eine Schapka, die er bis über die Augen herabgezogen hatte.
    »Was ist denn los?« fragte Adamsberg. »Der Pfad ist doch für alle da, oder?«
    »Ach«, machte der Mann nach einer Pause, »kommst wohl vom alten Kontinent? Franzose, was?«
    »Ja.«
    »Woher ich das wohl weiß?« sagte der Mann diesmal lachend und trat auf Adamsberg zu. »Weil, wenn du sprichst, habe ich nicht das Gefühl, dich zu hören, sondern dich zu lesen. Was machsta ’n hier? Gehst du zu den Männern?«
    »Und du?«
    »Für wen hältst’n mich, ich bewach die Baustelle. Nachts kann man die Werkzeuge nicht einfach so rumliegen lassen, die sind ’ne Menge Piaster wert.«
    »Welche Baustelle denn?«
    »Siehsta das nicht?« sagte der Mann und schwenkte seine Lampe hinter sich.
    In dem Waldabschnitt, der in den Weg hineinragte, erkannte Adamsberg in der Finsternis einen Pick-up, einen Wohnwagen und Werkzeug, das an den Baumstämmen lehnte.
    »Baustelle wovon?« fragte er höflich.
    Es schien ziemlich heikel in Quebec, ein Gespräch ohne Freundlichkeit abzubrechen.
    »Sie graben die abgestorbenen Baumstümpfe aus und pflanzen junge Ahornbäume«, erklärte der Nachtwächter.
    »Ich dachte, du willst ans Material ran. Tut mir leid, Criss, daß ich dich angefahren hab, aber das ist nun mal mein Job. Rennsta nachts oft so rum?«
    »Ich mag das.«
    »Bist du Tourist?«
    »Ich bin Bulle. Ich arbeite mit der GRC von Gatineau zusammen.«
    Diese Erklärung räumte mit einem Schlag auch noch den letzten Verdacht des Wächters aus der Welt.
    »Okay, Mensch, alles korrekt. Würdsta gern ein Bier in der Bude mittrinken?«
    »Danke, aber ich muß los. Ich habe zu tun.«
    »Pech, Mensch. Nichts für ungut, und bye.«
     
    Als er in die Nähe des Champlain-Denkmals kam, wurde Adamsberg langsamer. Noëlla saß auf ihrem Stein, in einen dicken Anorak gehüllt. Er erkannte das Glimmen ihrer Zigarette. Lautlos zog er sich zurück und stieg in den Wald hinauf, um sie zu umgehen. Dreißig Meter weiter kehrte er auf den Pfad zurück und beeilte sich, zum Wohnblock zu gelangen. Scheiße, dieses Mädchen war doch trotz allem nicht der Teufel. Teufel – urplötzlich stand das Bild des Richters Fulgence ihm wieder vor Augen. Man glaubt, die eigenen Gedanken verblassen, während sie einem doch mitten in der Stirn stecken wie drei nebeneinanderliegende

Weitere Kostenlose Bücher