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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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auf die Wangen, und Noëlla runzelte beleidigt die Stirn. Er schloß die Eingangstür des Gebäudes auf und grüßte den Wachmann, der auch nach elf Uhr noch auf der Lauer lag. Nachdem er geduscht hatte, streckte er sich auf dem breiten Bett aus. In Kanada ist alles größer. Außer den Erinnerungen, die sind kleiner.

19
     
    Am Morgen war die Temperatur auf minus vier Grad gesunken, und Adamsberg lief zu seinem Fluß. Die Ränder der kleinen Tümpel auf dem Pfad waren gefroren, und unter dem wachsamen Blick der Eichhörnchen machte er sich daran, mit seinen schweren Schuhen das Eis aufzubrechen. Er wollte schon weitergehen, als ihn der Gedanke an Noëlla auf ihrem Stein wie eine Leine zurückhielt. Er kehrte um und setzte sich auf einen Felsen, um den Wettstreit zu beobachten, der zwischen einer Entenkolonie und einer Schar Ringelgänse entbrannt war. Reviere und Kämpfe, überall. Eine der Gänse hatte ganz offensichtlich die Rolle des Oberbullen inne und startete schnatternd und mit ausgestellten Flügeln einen nächsten Angriff, mit geradezu despotischer Beharrlichkeit. Adamsberg mochte diese Ringelgans gar nicht. Er merkte sie sich an einem Fleck im Gefieder, um tags darauf nachzusehen, ob sie noch immer die Herrscherrolle innehatte oder ob die Gänse vielleicht einen demokratischen Wechsel praktizierten. Er überließ die Enten ihrem Widerstand und ging zu seinem Wagen. Ein Eichhörnchen hatte sich darunter verkrochen, er sah seinen Schwanz neben dem Hinterreifen hervorlugen. Sehr vorsichtig und nur stoßweise fuhr er an, um es nicht zu überfahren.
    Der Surintendant Laliberté fand seine gute Laune wieder, als er erfuhr, daß Jules Saint-Croix seiner Bürgerpflicht nachgekommen war und sein Reagenzglas, das er ihnen in einem dicken Umschlag übergab, gefüllt hatte. Ganz wichtig, das Sperma, ganz wichtig, schrie Laliberté Adamsberg zu und riß dabei ohne Rücksicht auf das Ehepaar Saint-Croix, das in einer Ecke hockte, den Umschlag auf.
    »ZweiExperimente, Adamsberg«, fuhr Laliberté fort und schüttelte mitten im Wohnzimmer das Reagenzglas: »heißer und trockener Abstrich. Heiß, als wäre es in den Vaginalpartien des Opfers zurückgeblieben. Trocken, da macht uns der Untergrund zu schaffen. Je nachdem, ob der Samen sich auf einem Stück Stoff befindet, auf einer Straße, auf Gras oder einem Teppich, nimmst du auch den Abstrich anders vor. Das fieseste ist Gras. Kannsta mir folgen? Wir verteilen die Portiönchen an vier strategischen Orten: auf der Straße, im Garten, im Bett und auf dem Wohnzimmerteppich.«
    Die Saint-Croix’ verschwanden wie Schuldige aus dem Zimmer, und der Vormittag verging darüber, daß sie hier und da Samentröpfchen verteilten und mit Kreide einen Kreis darum zogen, um sie nicht aus den Augen zu verlieren.
    »Bis das getrocknet ist«, erklärte Laliberté, »bewegen wir uns in die Toilette und beschäftigen uns mit dem Urin. Nimm deine Spezialpappen und das Abstrich-Set mit.«
     
    Die Saint-Croix’ verbrachten einen schwierigen Tag, der den Surintendant mit Zufriedenheit erfüllte. Er hatte Linda zum Weinen gebracht, um ihre Tränen zu sammeln, und Jules in die Kälte zum Laufen geschickt, um sein Nasensekret aufzufangen. Alle Abstriche waren wirksam gewesen, er kehrte mit seinen beschrifteten Pappen und Abstrich-Sets als erfolgreicher Jäger zur GRC zurück. Das einzige Ärgernis dieses Tages: In letzter Sekunde hatte man noch einmal eine Umbesetzung vornehmen müssen, da zwei freiwillige Bürger sich hartnäckig geweigert hatten, den weiblichen Teams ihr Reagenzglas zu übergeben. Was Laliberté in Rage versetzt hatte.
     
    »Sakrament, Louisseize!« hatte er in sein Telefon gebrüllt.
    »Was wollen uns diese Kerle mit ihrem Esti von Sperma denn weismachen? Daß es flüssiges Gold wär? Wenn sie sich vergnügen, schmieren sie’s den Puppen ja auch rein, aber wenn’s um die Arbeit geht, läßt sich keiner mehr blicken. Sag das deinem verdammten Bürger ins Gesicht.«
    »Ich kann es nicht, Surintendant«, hatte die feinfühlige Berthe Louisseize geantwortet. »Der ist verbuckt wie ein Bär. Ich muß mit Portelance wechseln.«
    Laliberté hatte nachgeben müssen, kaute aber noch am Abend an dieser Beleidigung herum.
    »Die Männer«, sagte er zu Adamsberg, während er bei der GRC vorfuhr, »sind manchmal stumpfsinnig wie Bisons. Jetzt, wo wir mit der Probenentnahme fertig sind, werde ich ihnen was pfeifen, diesen Sauhunden von Bürgern. Die Frauen in meiner Truppe wissen

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