Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
eines Bären, auf einen harmlosen See, einen Fisch, einen banalen Suff. Der Dreizack drang mit seinen Spitzen in sämtliche Ritzen seiner Schale ein.
    Plötzlich richtete er sich auf und ging noch einmal in das Büro seines Stellvertreters hinüber.
    »Danglard, und wenn ich mich nun gar nicht wegen des Richters oder des fremden Vaters wie ein Scheusal betrunken hätte?« sagte er, wobei er es wissentlich unterließ, auch Noëlla in der Aufzählung seiner Seelenschmerzen zu erwähnen. »Wenn nun alles hochgekommen wäre, seitdem der Dreizack aus seinem Grab gestiegen ist? Wenn ich nun gesoffen hätte, um zu erleben, was auch mein Bruder erlebt hat, das Betrinken, den Weg durch den Wald, den Verlust des Gedächtnisses? Aus einem Nachahmungstrieb heraus? Um einen Weg zu ihm zu finden?«
    Adamsberg sprach mit stockender Stimme.
    »Warum nicht?« antwortete Danglard ausweichend.
    »Ein Wunsch nach Verschmelzung mit ihm, nach einer Wiederbegegnung, ein Bedürfnis, in seine Fußtapfen zu treten. Doch das ändert nichts an den Ereignissen jener Nacht. Verbuchen Sie’s unter Besäufnis und Erbrechen, und vergessen Sie’s.«
    »Nein, Danglard, es scheint mir, daß das alles ändern würde. Dann nämlich hätte der Fluß seinen Damm durchbrochen und das Schiff liefe leck. Ich muß der Strömung folgen, ja, genau da muß ich anfangen, ich muß Herr über sie werden, bevor sie mich davonträgt. Dann abdichten und Wasser ausschöpfen.«
    Adamsberg blieb noch zwei lange Minuten stehen und dachte unter Danglards besorgtem Blick schweigend nach, dann ging er mit schleppendem Schritt in sein Büro zurück. Fulgence selbst bekam er nicht zu packen, aber er wußte, wo er beginnen mußte.

30
     
    Ein Anruf von Brézillon weckte Adamsberg um ein Uhr nachts.
    »Kommissar, ist es bei den Leuten in Quebec so üblich, daß sie sich nicht um den Zeitunterschied scheren, wenn sie bei uns anrufen?«
    »Was ist denn los? Favre?« fragte Adamsberg, der so schnell wach wurde, wie er einschlief, als wäre die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit bei ihm nicht sehr scharf.
    »Es geht nicht um Favre!« schrie Brézillon. »Es geht darum, daß Sie morgen um 16 Uhr 50 ins Flugzeug springen werden. Also packen Sie Ihre Sachen, und dann los!«
    »Flugzeug wohin, Monsieur le Divisionnaire?« erkundigte sich Adamsberg ruhig.
    »Wo sollte es denn Ihrer Meinung nach hingehen? Nach Montreal natürlich, zum Donnerwetter! Ich hatte gerade den Surintendant Légalité an der Strippe.«
    »Laliberté«, berichtigte Adamsberg.
    »Ist mir egal. Die haben einen Mord am Hals und brauchen Sie. Schluß aus, wir haben keine Wahl.«
    »Tut mir leid, aber ich begreife nicht. Wir haben uns nicht mit Tötungsdelikten der GRC beschäftigt, sondern mit genetischen Fingerabdrücken. Laliberté hat ja wohl nicht zum erstenmal in seinem Leben einen Mord am Hals.«
    »Aber zum erstenmal braucht er Sie, Himmeldonnerwetter.«
    »Seit wann kümmert sich die Pariser Brigade um Mordfälle in Quebec?«
    »Seitdem die dort einen Brief – anonym, bitte schön – mit dem Hinweis bekommen haben, daß Sie der geeignete Mann dafür seien. Ihr Opfer ist Französin und steht in Verbindung mit was weiß ich welcher Ermittlung, die Sie auf dem nationalen Territorium durchgeführt haben sollen. Kurz, es besteht eine Verbindung, und sie verlangen dringend nach Ihrer Kompetenz.«
    »Aber Herrgott noch mal«, Adamsberg regte sich nun seinerseits auf, »sollen sie mir doch ihren Bericht zuschicken, und ich beschaffe die Auskünfte von Paris aus. Ich werde doch nicht mein Leben damit zubringen, ständig hin und her zu reisen.«
    »Genau das habe ich Légalité auch gesagt, stellen Sie sich vor. Aber nichts zu machen, sie benötigen Ihre Augen. Der läßt nicht locker. Sie sollen das Opfer sehen.«
    »Kommt nicht in Frage. Ich hab einen Haufen Arbeit hier. Der Surintendant soll mir seine Akte zuschicken.«
    »Hören Sie zu, Adamsberg, ich sage Ihnen nochmals, wir haben keine Wahl, weder Sie noch ich. Der Minister hat ziemlich insistieren müssen, damit überhaupt eine Kooperation in Sachen DNA zustande kam. Die waren anfangs gar nicht heiß darauf. Wir sind ihnen gegenüber verpflichtet. Das heißt, wir sitzen in der Klemme. Haben Sie verstanden? Wir werden also hübsch gehorchen, und Sie werden morgen fliegen. Aber ich habe Légalité schon davon informiert, daß Sie nicht allein reisen. Sie nehmen Retancourt als Begleitperson mit.«
    »Nicht nötig, ich bin in der Lage, ohne Führer zu

Weitere Kostenlose Bücher