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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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auch. Was machte sie denn in Hull? Verheiratet? Studium?«
    »Sie war ihrem Schumm hierher gefolgt, mußte dann aber Hafer schlucken.«
    »Übersetz.«
    »Sie hat sich abservieren lassen. Sie hat in einer Kneipe in Ottawa gearbeitet, dem Karibu. Erinnert dich das an etwas?«
    »Nie dringewesen. Du spielst nicht mit offenen Karten, Aurèle. Ich weiß nicht, was in diesem anonymen Brief stand, aber du redest doch drumherum.«
    »Du etwa nicht?«
    »Nein. Morgen erzähle ich dir alles, was ich weiß. Das heißt, alles, was dir behilflich sein kann. Aber ich möchte schlafen, ich halt mich nicht mehr aufrecht, und mein Lieutenant auch nicht.«
    Retancourt, die wie ein Fels im Hintergrund des Raumes saß, hielt ausgezeichnet durch.
    »Aber vorher schwatzen wir noch ein bißchen«, erklärte Laliberté mit schwachem Lächeln. »Wir gehen ins Büro.«
    »Scheiße, Aurèle. Es ist schon nach drei Uhr morgens.«
    »Es ist neun Uhr Ortszeit. Ich werd dich nicht lange aufhalten. Deinen Lieutenant können wir entlassen, wenn du willst.«
    »Nein«, sagte Adamsberg plötzlich. »Sie bleibt.«
     
    Laliberté hatte sich, in dem vagen Bemühen, eindrucksvoll zu erscheinen, in seinen Sessel gesetzt, umrahmt von seinen zwei Inspektoren. Adamsberg kannte diese Anordnung im Dreieck, mit der man Verdächtige beeindrucken konnte. Er hatte keine Zeit, über die bestürzende Tatsache nachzudenken, daß Noëlla durch einen Hieb mit dem Dreizack in Quebec ermordet worden war. Vielmehr konzentrierte er sich auf Lalibertés zweideutiges Verhalten, aus dem er vielleicht schließen konnte, daß er etwas über seine Verbindung zu dem jungen Mädchen wußte. Aber auch das war nicht gewiß. Dies hier war ein heikles Spiel, und er würde jedes Wort des Surintendant parieren müssen. Daß er mit Noëlla geschlafen hatte, hatte nichts mit dem Mord zu tun; er mußte es im Moment unter allen Umständen vergessen. Und sich auf jede Eventualität vorbereiten, indem er sich auf die Stärke seiner passiven Kräfte besann, denn die waren das sicherste Bollwerk seiner inneren Zitadelle.
    »Sag deinen Männern, sie sollen sich hinsetzen, Aurèle. Ich kenne den Trick, und außerdem ist es unangenehm. Man könnte meinen, du hättest vergessen, daß ich Bulle bin.«
    Mit einer Geste ließ Laliberté Portelance und Philippe-Auguste abrücken. Jeder ausgestattet mit einem Heft, begannen sie mitzuschreiben.
    »Ist das ein Verhör?« fragte Adamsberg und deutete auf die Inspektoren. »Oder eine Zusammenarbeit?«
    »Fall mir nicht auf die Nerven, Adamsberg. Wir schreiben mit, um uns zu erinnern, das ist alles.«
    »Fall auch du mir nicht drauf, Aurèle. Ich bin seit zweiundzwanzig Stunden auf den Beinen, und das weißt du. Den Brief«, fügte er hinzu. »Zeig mir diesen Brief.«
    »Ich lese ihn dir vor«, sagte Laliberté und öffnete eine dicke grüne Akte. »›Mordfall Cordel. Siehe dazu Kommissar J.-B. Adamsberg, Paris, Brigade criminelle. Hat sich persönlich damit befaßt.‹«
    »Tendenziös«, kommentierte Adamsberg. »Und deshalb verhältst du dich wie ein Coch? In Paris, sagst du, hätte ich mich um die Akte gekümmert. Hier aber scheinst du zu glauben, ich hätte mich um die Frau gekümmert.«
    »Erzähl mir nicht, was ich nicht gesagt habe.«
    »Dann halte mich auch nicht für einen Idioten. Zeig mir den Brief.«
    »Willstan überprüfen?«
    »Genau.«
    Es stand kein Wort weiter auf dem Blatt, das aus einem herkömmlichen Drucker stammte.
    »Du hast die Fingerabdrücke gesichert, nehme ich an?«
    »Vollkommen rein.«
    »Wann hast du ihn erhalten?«
    »Als die Leiche hochgekommen ist.«
    »Hoch von wo?«
    »Aus dem Wasser, in das man sie geworfen hatte. Es war gefroren gewesen. Erinnersta dich an den Kälteeinbruch in der letzten Woche? Der Körper hat dort festgesteckt, bis es taute und man die Leiche fand, Mittwoch. Am nächsten Tag um die Mittagszeit hatten wir den Brief.«
    »Sie muß also vor dem Tauwetter getötet worden sein, damit sie der Mörder ins Wasser werfen konnte.«
    »Nein. Der Mörder hat die gefrorene Oberfläche aufgebrochen und sie hineingestukt, versenkt mit ungefähr zwanzig Steinen. Das Eis hat sich in der Nacht sofort wieder neu gebildet, wie ein Deckel.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Noëlla Cordel hatte sich an demselben Tag einen neuen Gürtel schenken lassen. Den hatte sie um. Wir wissen, wo sie zu Abend gegessen und was sie zu sich genommen hat. Du mußt verstehen, daß bei der Kälte der Inhalt im Verdauungskanal

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