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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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schnell.
    »Dieselbe bei allen drei Einstichen?«
    »Identisch.«
    »War Erde in den Wunden? Verschmutzungen?« fragte Adamsberg den Arzt. »Oder war’s ein sauberes und neues Werkzeug?«
    »Nein, es waren Humuspartikel daran, Blätter und winzige Kiesel bis tief in die Wunden hinein.«
    »Ach«, sagte Adamsberg.
    Er gab Laliberté Lineal und Maßband zurück und überraschte den Surintendant bei seinem verblüfften Gesichtsausdruck. Als hätte er etwas völlig anderes als diese sorgfältige Untersuchung von ihm erwartet.
    »Was ist, Aurèle? War es nicht das, was du wolltest? Daß ich sie sehe?«
    »Doch«, sagte Laliberté unschlüssig. »Aber, Criss, was bedeutet das, alle diese Messungen?«
    »Die Waffe? Habt ihr sie?«
    »Keine Spur, wo denkst du hin. Aber meine Techniker haben sie rekonstruiert. Es ist ein großes Stecheisen mit flacher Klinge.«
    »Deine Techniker kennen sich besser mit Molekülen aus als mit Waffen. Das hier hat kein Stecheisen angerichtet. Das war ein Dreizack.«
    »Und woher weißta das?«
    »Du kannst ja mal versuchen, mit deinem Stecheisen dreimal hintereinander zuzustoßen und eine gerade Linie und identische Tiefen hinzubekommen. Du wärst noch nach zwanzig Jahren damit beschäftigt. Es war ein Dreizack.«
    »Criss, danach also hast du geschaut?«
    »Danach und noch nach etwas anderem, viel Tieferem. So tief wie die Schlammschicht im Pinksee.«
    Der Surintendant, dessen Arme tatenlos an seinem langen Körper herunterhingen, schien noch immer verwirrt. Er hatte sie in beinah herausfordernder Manier hierhergeführt, aber diese Messungen hatte ihn aus dem Sattel geworfen. Adamsberg fragte sich, was Laliberté denn eigentlich erwartet hatte.
    »Liegt eine Schädelprellung vor?« fragte er den Arzt.
    »Ein mächtiger Bluterguß am Hinterkopf, der das Opfer bewußtlos gemacht hat, ohne zum Tod zu führen.«
    »Wie kannst’an das wissen, das mit dem Patsch am Schädel?« fragte Laliberté.
    Adamsberg wandte sich dem Surintendant zu und verschränkte die Arme.
    »Du hast mich doch rufen lassen, weil ich eine Akte darüber habe, oder?«
    »Ja«, antwortete der Surintendant, noch immer unsicher.
    »Ja, oder etwa nein, Aurèle? Du läßt mich den Atlantik überqueren, um mich um zwei Uhr morgens zu einer Leiche zu führen, was erwartest du dann von mir? Soll ich dir erklären, daß sie tot ist? Wenn du mich hierhergelockt hast, dann doch, weil du wußtest, daß ich den Fall kenne. Das jedenfalls hat man mir in Paris gesagt. Und das stimmt auch, ich kenne den Fall. Doch das scheint dich nicht gerade zu freuen. War es nicht das, was du wolltest?«
    »Nimm’s nicht persönlich. Aber es erstaunt mich, das ist alles.«
    »Du bist mit deinem Erstaunen noch nicht am Ende.«
    »Schieb das Laken ganz hoch«, befahl Laliberté dem Arzt.
    Reynald rollte das Tuch mit dienstbeflissenen Gesten auf, so wie es Ménard in Straßburg getan hatte. Adamsberg erstarrte, als er am Halsansatz vier rautenförmig angeordnete Muttermale erblickte. Was ihm genau die Zeit ließ, ein Zusammenzucken zu vermeiden. Er pries die gewissenhafte Langsamkeit des Gerichtsmediziners.
    Ja, es war Noëlla, die in diesem Schubfach lag. Adamsberg brachte seine Atmung wieder unter Kontrolle und untersuchte die Tote, ohne zu blinzeln, so hoffte er zumindest. Laliberté ließ ihn nicht aus den Augen.
    »Kann ich den Bluterguß sehen?« fragte er.
    Der Arzt kippte den Kopf zur Seite, damit man den hinteren Teil des Schädels sehen konnte.
    »Ein Schlag mit einem stumpfen Werkzeug«, erklärte Reynald. »Mehr läßt sich nicht sagen. Vermutlich aus Holz.«
    »Der Stiel des Dreizacks«, präzisierte Adamsberg. »So macht er es immer.«
    »Wer denn, ›er‹?« fragte Laliberté.
    »Der Mörder.«
    »Kennsta ihn etwa?«
    »Ja. Und ich wüßte gern, wer dir das erzählt hat.«
    »Und sie, kennsta sie auch?«
    »Glaubst du, ich kenne die Namen von sechzig Millionen Franzosen, Aurèle?«
    »Wenn du den Mörder kennst, kennst du vielleicht auch seine Opfer.«
    »Ich bin kein Rätselrater, wie du selbst wohl sagen würdest.«
    »Du hast sie noch nie gesehen, nein?«
    »Wo denn? In Frankreich? In Paris?«
    »Wo immer du willst.«
    »Noch nie«, antwortete Adamsberg schulterzuckend.
    »Sie heißt Noëlla Cordel. Sagt dir das nichts?«
    Adamsberg trat von der Leiche zurück und auf den Surintendant zu.
    »Warum willst du unbedingt, daß es mir was sagt?«
    »Sie wohnte seit sechs Monaten in Hull. Du hättest ihr ja hier begegnen können.«
    »Und du

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