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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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erhalten geblieben ist wie am ersten Tag. Zur Zeit kennen wir das Datum des Mordes und die Uhrzeit. Streit nicht mit mir darüber, ich darf dich daran erinnern, daß wir hier Spezialisten sind.«
    »Und dieser anonyme Brief, der dir tags darauf zuging, macht dir nicht zu schaffen? Gleich nachdem der Mord in der Presse veröffentlicht war?«
    »Esti nein. Wir erhalten viele. Die Leute mögen es nicht, persönlich mit den Cops zu tun zu haben.«
    »Was man ja auch verstehen kann.«
    Lalibertés Miene verzog sich leicht. Der Surintendant war ein geschickter Spieler, aber Adamsberg konnte Veränderungen in Blicken schneller erkennen als der Detektor der GRC. Laliberté ging zum Angriff über, und Adamsberg steigerte seine Gelassenheit, indem er die Arme verschränkte und sich auf seinem Stuhl zurücklehnte.
    »Noëlla Cordel ist am Abend des 26. Oktober gestorben«, sagte der Surintendant nur. »Zwischen zweiundzwanzig Uhr dreißig und dreiundzwanzig Uhr dreißig.«
    Ausgezeichnet, wenn man so sagen durfte. Als er Noëlla zum letztenmal gesehen hatte, war er durchs Schiebefenster geflüchtet, am Freitag, dem 24., abends. Er hatte befürchtet, dieses verfluchte Fallbeil würde auf ihn niederfahren und Laliberté ihm das Datum des 24. nennen.
    »Noch Genaueres kann man über die Uhrzeit nicht sagen?«
    »Nein. Sie hatte gegen neunzehn Uhr dreißig zu Abend gegessen, die Verdauung war bereits sehr fortgeschritten.«
    »In welchem See habt ihr sie denn gefunden? Weit von hier?«
    Im Pinksee natürlich, dachte Adamsberg. In welchem sonst?
    »Wir machen morgen weiter«, entschied Laliberté und stand plötzlich auf. »Sonst quatschst du noch schlecht über die Cops in Quebec und sagst, sie wären Ekel. Ich hatte einfach Lust, es dir zu erzählen, das ist alles. Wir haben zwei Zimmer für euch im Hotel Brébeuf reserviert, im Gatineau-Park. Sagta das zu?«
    »Ist das wer, Brébeuf?«
    »Ja, ein Franzose, beschränkt wie ein Esel, den die Irokesen verspeist haben, weil er ihnen Lügenmärchen predigen wollte. Wir holen euch um vierzehn Uhr ab, damit ihr euch inzwischen ein bißchen erholen könnt.«
    Wieder liebenswürdig, reichte der Surintendant ihm die Hand.
    »Und dann rückst du mit deiner Dreizackgeschichte heraus.«
    »Wenn du sie anhören kannst, Aurèle.«
     
    Trotz all seiner Entschlüsse war Adamsberg nicht in der Lage, über die unfaßbare Fügung nachzudenken, die ihn am anderen Ende der Welt auf den Dreizack stoßen ließ. Tote reisen schnell, wie der Blitz. Er hatte diese Gefahr in der kleinen Montrealer Kirche geahnt, als Vivaldi ihm zuflüsterte, Fulgence sei informiert darüber, daß er ihn fortan wieder jage, und ihm riet, sich vor ihm in acht zu nehmen. Vivaldi, der Richter, das Quintett – das war alles, was er sich noch sagen konnte, bevor er einschlief.
    Um sechs Uhr morgens Ortszeit klopfte Retancourt an seine Tür. Die Haare noch feucht, hatte er sich gerade erst angezogen, und die Aussicht, daß dieser schwierige Tag durch ein Gespräch mit seinem eisernen Lieutenant eröffnet werden würde, schien ihm nicht sehr verheißungsvoll. Er hätte sich lieber hingelegt, um nachzudenken, das heißt, zwischen den Millionen Partikeln seines Verstandes umherzuschweifen, die in ihren verfluchten Wabenzellen total durcheinandergeraten waren. Doch Retancourt setzte sich ruhig auf das Bett und stellte eine Thermosflasche mit richtigem Kaffee -wie hatte sie das bloß bewerkstelligt? –, zwei Tassen und frische Brötchen auf das niedrige Tischchen.
    »Das habe ich unten besorgt«, erklärte sie. »Falls die beiden Cochs auftauchen, haben wir hier mehr Ruhe zum Reden. Die Visage von Mitch Portelance würde mir den Appetit verderben.«

32
     
    Wortlos schlang Retancourt eine erste Tasse schwarzen Kaffee und ein Brötchen hinunter. Adamsberg versuchte nicht, ihr beim Einstieg in das Gespräch zu helfen, doch dieses Schweigen störte den Lieutenant nicht.
    »Ich würde das alles gern verstehen«, sagte Retancourt, als sie mit ihrem ersten Brötchen fertig war. »Von diesem Mörder mit dem Dreizack haben wir in der Brigade nie etwas gehört. Es ist ein alter Fall, nehme ich an. Und so, wie Sie die Tote betrachtet haben, würde ich sogar meinen, ein persönlicher.«
    »Retancourt, Sie sind für diesen Auftrag bestimmt worden, weil Brézillon seine Leute nicht allein fahren läßt. Aber Sie sind nicht beauftragt, vertrauliche Informationen von mir einzuziehen.«
    »Verzeihung«, wandte der Lieutenant ein. »Ich bin zu

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