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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Ihrem Schutz da, so haben Sie’s mir erzählt. Und wenn ich nichts weiß, kann ich die Verteidigung nicht übernehmen.«
    »Die habe ich auch nicht nötig. Heute gebe ich Laliberté meine Auskünfte, und weiter nichts.«
    »Welche Auskünfte?«
    »Die bekommen Sie genauso zu hören wie er. Er wird sie akzeptieren oder nicht, und er wird damit machen, was er will, das ist seine Angelegenheit. Und morgen packen wir unsere Sachen.«
    »Ach ja?«
    »Warum denn nicht, Retancourt?«
    »Sie sind schlau, Kommissar. Machen Sie mir doch nicht weis, Sie hätten nichts beobachtet.«
    Adamsberg sah sie prüfend an.
    »Laliberté ist nicht mehr derselbe«, fuhr sie fort. »Auch Portelance und Philippe-Auguste nicht. Der Surintendant war überrascht, als Sie die Messungen an der Leiche vorgenommen haben. Er hatte etwas anderes erwartet.«
    »Das habe ich gesehen.«
    »Er hatte erwartet, Sie würden zusammenbrechen. Erst beim Anblick der Wunde und dann bei der Enthüllung des Gesichts, was er wohlweislich in zwei Etappen vorgenommen hat. Doch das ist nicht passiert, und das hat ihn verwirrt. Verwirrt, aber nicht aus der Fassung gebracht. Auch die Inspektoren wußten Bescheid. Ich habe sie nicht aus den Augen gelassen.«
    »Den Eindruck machten Sie aber gar nicht. Wie Sie da zu Tode gelangweilt in Ihrer Ecke saßen.«
    »Genau das ist ja der Trick«, sagte Retancourt und schenkte ihnen eine weitere Tasse Kaffee ein. »Die Männer achten nicht auf einen dicke, häßliche Frau.«
    »Das ist falsch, Lieutenant, und das wollte ich damit auch nicht sagen.«
    »Aber ich«, sagte sie, indem sie den Einwand mit entspannter Geste zurückwies. »Sie schauen sie nicht an, nicht viel interessanter als eine Truhe, und sie vergessen sie. Genau darauf setze ich. Fügen Sie noch etwas Teilnahmslosigkeit hinzu und einen gekrümmten Rücken, und Sie können sicher sein, alles sehen zu können, ohne selbst gesehen zu werden. Das ist nicht allen gegeben, und mir hat es schon beachtliche Dienste geleistet.«
    »Sie haben Ihre Energie mal wieder umgewandelt?« fragte Adamsberg lächelnd.
    »In Unsichtbar-Sein«, bestätigte Retancourt ernst. »Ich konnte Mitch und Philippe-Auguste vollkommen ungestraft beobachten. Während der ersten beiden Etappen, beim Aufdecken der Wunden und dann des Gesichts, haben sie kurze Zeichen des Einverständnisses miteinander getauscht. Dasselbe während des dritten Akts in der GRC.«
    »In welchem Moment?«
    »Als Laliberté Ihnen das Datum des Verbrechens nannte. Auch da hat sie das Ausbleiben jeglicher Reaktion bei Ihnen enttäuscht. Mich nicht. Sie verfügen über eine beachtliche Fähigkeit zur Gelassenheit, Kommissar, zumal sie auch ganz natürlich wirkte, obwohl sie gespielt war. Ich aber muß mehr wissen, wenn ich weiterarbeiten soll.«
    »Sie begleiten mich, Retancourt. Nur darin besteht Ihr Auftrag.«
    »Ich gehöre zur Brigade, und ich führe meine Arbeit aus. Ich kann mir vorstellen, wonach Sie suchen, aber ich brauche Ihre Version des Ganzen. Sie müssen mir vertrauen.«
    »Und warum, Lieutenant? Sie mögen mich doch nicht.«
    Diese unerwartete Anschuldigung brachte Retancourt nicht aus der Fassung.
    »Nicht besonders«, bestätigte sie. »Doch das hat damit nichts zu tun. Sie sind mein Vorgesetzter, und ich werde meine Arbeit machen. Laliberté versucht Sie in eine Falle zu locken, er ist überzeugt davon, daß Sie das Mädchen kennen.«
    »Das ist falsch.«
    »Sie sollten mir vertrauen«, wiederholte Retancourt ruhig. »Sie verlassen sich nur auf sich selbst. Das ist Ihre Art, doch heute ist das ein Fehler. Es sei denn, Sie haben ein gutes Alibi für den Abend des 26., ab zweiundzwanzig Uhr dreißig.«
    »Steht es so schlimm?«
    »Ich glaube schon.«
    »Ich sollte verdächtigt werden, das Mädchen getötet zu haben? Sie spinnen doch, Retancourt.«
    »Sagen Sie mir, ob Sie sie kannten.«
    Adamsberg blieb stumm.
    »Sagen Sie’s mir, Kommissar. Der Torero, der sein Tier nicht kennt, kann sicher sein, daß er auf die Hörner genommen wird.«
    Adamsberg betrachtete das runde Gesicht des Lieutenant, es war intelligent und bestimmt.
    »Einverstanden, Lieutenant, ich kannte sie.«
    »Scheiße«, sagte Retancourt.
    »Von den ersten Tagen an hat sie mir auf dem Tragestellen-Pfad aufgelauert. Warum ich sie am darauffolgenden Sonntag in mein Appartement mitgenommen habe, steht jetzt nicht zur Debatte. Ich hab’s nun mal getan. Pech für mich, denn sie war verrückt. Sechs Tage später verkündete sie mir, sie sei

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