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Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Titel: Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Patalong
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seines Helden Julian West geschildert, dass es sich bei den Musiksendungen um Live-Übertragungen handelt, 24 Stunden täglich auf mehreren Kanälen eingespielt. Vorstellungskraft hat eben auch ihre Grenzen. Auf eine Apparatur, die Musik quasi zur »on demand« abrufbaren Konserve macht, war Bellamy nicht gekommen. Sein Pech: Thomas Alva Edison patentierte das dafür geeignete Grammophon im September 1887, also ausgerechnet zu der Zeit, als Bellamys Buch in Druck ging. Auch Sci-Fi-Schreiber werden mitunter von der Zeit überholt, bevor die Tinte trocken ist. Ganz besonders oft in Zeiten, in denen es Erfindungen geradezu hagelte.
    In anderer Hinsicht aber war Bellamy absolut up to date, und das wohl nicht zufällig: Dass es ausgerechnet das Telefon war, das die Menschen seines Jahrs 2000 mit »der schönsten Musik der Welt« versorgte, war keine Vision, sondern galt 1888 bereits als ausgemachte Sache: Wozu sollte der Apparat sonst gut sein?

Raue Sitten: Die »Erfindung« des Telefons
    Zu dem Zeitpunkt, als Bellamys Buch erschien, waren Telefone nicht nur auf den im ausgehenden 19. Jahrhundert so außerordentlich populären Elektrik-Novitätenschauen und Messen zu bestaunen, sondern seit über zehn Jahren auch in etlichen Varianten für jedermann erhältlich. Europa war den USA hierbei voraus: Obwohl der Siegeszug des Telefons später vor allem von Amerika ausgehen sollte und die Erfindung des Apparats heute meist einem vermeintlichen Amerikaner zugesprochen wird, hinkten die USA der Entwicklung anfänglich einige Jahre hinterher.
    Die ab 1881 in Umlauf gebrachten amerikanischen Modelle basierten, wenn man es großzügig betrachtet, auf der 1876 durch den Schotten Alexander Graham Bell patentierten Idee eines Telefons, die wir heute gemeinhin als Ur-Telefon sehen. Bell war erst fünf Jahre zuvor mit seinen Eltern aus Großbritannien nach Kanada eingewandert und kurz darauf in die USA übergesiedelt, wo er 1882 schließlich die Staatsbürgerschaft beantragte.
    Doch Bell gilt wohl zu Unrecht als Erfinder des Telefons. Freundlich gesagt war er eher eine Art Weiterentwickler, er führte verschiedene Konzepte anderer Leute zusammen und vermarktete sie. Erheblich unfreundlicher ausgedrückt könnte man ihn auch als Plagiator und Patent-Troll bezeichnen: Bells Patent von 1876 erfolgte voreilig und nur, um einer Patentierung des Telefon-Prinzips durch Konkurrenten zuvorzukommen. Sein erfolgreich patentiertes Konzept war nicht funktionsfähig, sondern letztlich ein Bluff. Er beschrieb die beabsichtigte Funktion des Apparats zwar richtig, verfügte aber über keine Maschine, die wirklich dazu in der Lage gewesen wäre. Bell verhinderte damit die Patentierung eines tatsächlich funktionsfähigen Apparats durch den Telefon-Pionier Elisha Gray und gewann so die Zeit, selbst etwas Vergleichbares zu Ende zu entwickeln. Es sollte ihn steinreich machen.
    Bell selbst hatte damals jemandem gestanden, dass er zwar diese fantastische Idee hätte, so etwas wie ein Telefon zu bauen, ihm aber leider das dafür nötige Know-how fehle. Letzteres lieferte ihm bald darauf sein Assistent Thomas Watson, der in diesen Angelegenheiten mehr Durchblick hatte.
    Reis-Telefon von 1861: Eine der »Inspirationen«, aus denen Bell sein Telefon entwickelte, das er 1876 zum Patent anmeldete
    Die Maschine, mit der die beiden wenig später Geschichte schrieben, scheint auf einigen von Elisha Gray »geliehenen« Lösungen für Probleme des ursprünglichen Bell-Konzepts zu basieren, die Bell und Watson aus dem Patent-Antrag Grays »weggefunden« haben könnten. Nachgewiesen wurde es ihnen nie. Hauptsächlich jedoch fußte Bells Apparat einerseits auf dem Telefon des Deutschen Philipp Reis – Bell besaß ein Reis-Telefon, das er aus Europa mitgebracht hatte und das er akribisch untersuchte – und dem Patent-Antrag und den Telefon-Prototypen des Italo-Amerikaners Antonio Meucci andererseits.
    Letzterer hatte 1871 selbst versucht, ein Patent für das von ihm ab 1854 entwickelte, Mitte der 1860er Jahre schließlich zur Nutzungsreife gebrachte Telefon zu erlangen, konnte aber die Gebühren der Behörde nicht bezahlen. Nach zwei Jahren verfiel sein Antrag, und Meucci stand derweil vor dem wirtschaftlichen Ruin. Auch seine Werkstatt hatte er wegen dieser anhaltenden Geldnot längst verloren. Als er die Herausgabe seiner dort gelagerten Telefonmodelle, Pläne und Unterlagen einschließlich des detaillierten Patentantrags vom Nachmieter der Werkstatt verlangte,

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