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Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Titel: Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)
Autoren: Frank Patalong
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dessen Verlauf zwei Soldaten auf diesem Velociped über zwei Stunden Kabel durch Wasser von 25 bis 35 Meter Tiefe zogen, ohne zu ertrinken, setzte das Vehikel sich nicht durch.
    Doch logistische Probleme konnten das Interesse an Kommunikationstechnik nicht schmälern. Auf Sprachübermittlungstechnik war das Militär seit langem scharf.
    Dass Sprachnachrichten für die Organe und Behörden des Staats von äußerster Wichtigkeit wären und eine verbale Übermittlung der Telegrafietechnik, die er für zu kompliziert hielt, vorzuziehen sei, hatte der deutsche Ingenieur und Arzt Dr. Elard Romershausen schon 1838 erkannt. Seinem in zwei Aufsätzen vorgeschlagenen Sprach-Kommunikationssystem gab er den Namen Telefon – wahrscheinlich war er also Erfinder des Begriffs, nicht Philipp Reis. 1840 schrieb Romershausen selbstbewusst:
    Namentlich wird man das Interesse, welches man gegenwärtig der elektrischen Telegraphie schenkt, gewiß weit vortheilhafter diesem Telephon zuwenden; denn so sinnreich und wissenschaftlich interessant auch die Darstellung elektrischer Telegraphen ist, so mannichfache Hindernisse werden sich der Ausführung und Benutzung derselben im Großen entgegenstellen.
    In heutige, twitterkompatible Sprache übersetzt: Telegraf? Taugt nix, weil zu kompliziert. Telefon? Besser: Plappern kann jeder, morsen nicht.
    Aus der Perspektive der damaligen Zeit eine verständliche Einschätzung. Romershausens Telefon hatte den Vorzug, auf einer Technologie zu fußen, die seit Jahrtausenden bekannt und faktisch wartungsfrei war, wenn auch nicht sehr tragbar: Er schlug vor, Wasserrohre als Schallverbreitungstechnik zu nutzen. Sein Telefon war also keine an sich neue Technologie, sondern nur eine neue Methode zur sinnvollen Nutzung einer alten – Töne (»phon«) über Entfernungen (»tele«) zu übertragen.
    Hierzu brauchte man keine Elektrik, sondern nutzte lediglich die physikalischen Eigenschaften des Schalls. Romershausen hatte entdeckt, dass man Sprachnachrichten oft kilometerweit verbreiten kann, wenn man in ein Rohr hineinschreit – selbst, wenn dieses nicht völlig gerade verlegt ist.
    So wahr und schön das sein mag, auch diese Technik konnte sich dem Optimismus des Entdeckers zum Trotz nicht durchsetzen. Wir fragen uns heute unwillkürlich, ob der Mann einfach keine Freunde hatte. Mit irgendjemandem muss er doch geredet haben, bevor er diese Schnapsidee veröffentlichte! Zu seiner Ehrenrettung: Der Mann erfand tatsächlich einige nützliche Dinge und war hoch respektiert. Auch nach der natürlich vergeblichen Veröffentlichung seiner Telefonidee publizierte er fleißig weiter.
    Im Gegensatz zu Romershausens Idee, die der Rohrverlegerbranche einen echten Boom hätte bescheren können, interessierten sich die Militärs sofort für das elektrische Telefon. Kabel zu verlegen erschien irgendwie naheliegender als Rohre.
    Bereits im Dezember 1877 fanden in Deutschland unter Leitung eines Hauptmanns Körner vom 58. Infanterie-Regiment bahnbrechende Versuche statt. Es galt, »die Verwendbarkeit des Telephons für den Vorpostendienst aufzuklären«.
    Zu diesem Behufe ließ Körner einen Füsilier mit einem Kabeltornister eine 320 Meter lange Leitung zu einem Versuchs-Vorposten ziehen. Der Soldat erledigte diese Aufgabe – wohl auch dank der Tatsache, dass er nicht unter Beschuss lag – in weniger als drei Minuten. Auch von solcher Rüstungsforschung berichtete das Polytechnische Journal ausführlich und regelmäßig:
    Nach Einschaltung zweier von Siemens und Halske gefertigter Telephone wurde an jedem der beiden Orte mittels eines Kapottes (Anm.: ein Kapuzen-Regenmantel oder -Umhang) ein kleiner abgeschlossener Raum hergestellt, so daß der starke Wind das deutliche Hören nicht im Geringsten hinderte. Als Anruf wurde ein mit lauter Stimme gerufenes »öh« benutzt; nach der Beantwortung des Anrufes durch das Wort »hier« begann das Telephoniren.
    Öh, hier? Man beginnt zu ahnen, warum es in dieser Frühphase der Telefonie eine ganze Flut von Patentanträgen gab, die »Lautgeber« für Telefone beschrieben. Einige davon beruhten auf Rückkopplungen, die als Rufton schrille Quietschtöne in den Raum schickten. Zum Glück ließ die Schelle alias Bimmel, Glocke oder Klingel dann nicht mehr allzu lange auf sich warten. Bis dahin öhte man eben.
    Bereits 1880 verfügte auch Hauptmann Körner über Telefone, bei denen man dank eingebauter Rufsignale auf gebrüllte Ö-Laute verzichten konnte. Auch in anderer Hinsicht hatte
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