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Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Titel: Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Patalong
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das Konzept
    Die Franzosen hatten sechs Räder als Mittel entdeckt, schwer beladene Fahrzeuge erfolgreich von A nach B zu bringen, selbst wenn gar keine Straße vorhanden war. Die ersten drei Wagen wurden eigens als Geländewagen für eine Art Extrem-Ralley entworfen: Sie fuhren 1924 von Algiers im damals noch französischen Algerien rund 2.500 Kilometer quer durch die Sahara nach Bourem im heutigen Mali – und wieder zurück.
    Wie LKW stützten sich diese Fahrzeuge auf jeweils zwei Reifen pro Achsseite, verfügten streng genommen also sogar über zwölf Räder auf drei Achsen. Letztlich ersetzte der Doppel-aber den damals weniger verfügbaren Breitreifen. Sechsrädrige Fahrzeuge blieben in den Folgejahren ein Erfolgskonzept für Renault, wenn auch nur bei Militärfahrzeugen sowie auf den rauen Pisten des schwarzen Kontinents.
    Auf dem US-Markt, auf dem Design längst keinen Deut weniger wichtig war als Technik, hatten Reeves Sechsräder dagegen keine Chance. Der spektakuläre Doppelflopp mit radreichen Autos, der die Freakshow gescheiterter Automobilkonzepte um zwei herrliche Highlights bereicherte, bedeutete für Reeves’ Firma das Ende als Automobil-Manufaktur. Für ihn ging es noch eine Weile mit Landmaschinen weiter, und Geld brachten nach wie vor die Innovationen ein, mit denen Reeves im Gegensatz zu Octo-und SextoAuto das Autofahren tatsächlich angenehmer und sicherer gemacht hatte.
    Denn bereits 1897 hatte Milton O. Reeves ein viel profaneres, am Ende aber unendlich lohnenderes Projekt per Patent auf den Weg gebracht, das bis heute in jedem Automobil genutzt wird: Geld und Ruhm erntete Reeves mit der Erfindung des Schalldämpfers – der »Tüte« am Ende des Auspuffs, die so gerne durchrostet. Im Jahr darauf entwickelte er zudem ein erstes Schaltgetriebe und erlöste Autofahrer dadurch von den Fesseln der Maximaldrehzahl. Bis dahin war die Endgeschwindigkeit eines Autos durch die höchste ohne Motorexplosion erreichbare Drehzahl definiert – die ganz frühen Modelle müssen geklungen haben wie auf Dauer-Vollgas laufende, brüllende Rasenmäher. Durch das »Hochschalten« ließen sich nicht nur höhere Geschwindigkeiten erreichen, es wurden auch Motorverschleiß und Brennstoff-Verbrauch gesenkt – was die Passanten, wie der Schalldämpfer wohl auch, vor dem Tinnitus bewahrte.
    Wenn man den Vergleich anstellen wollte, hätte Henry Ford mit seinem Modell T den Wettbewerb um Käufer gegen Reeves’ Vielradwagen zwar 15 Millionen zu null gewonnen. Schalldämpfer und Schaltgetriebe aber machten Reeves für die Laufzeit seiner Patente zum Teilhaber am Verkaufserfolg jedes einzelnen Ford T und jedes anderen in den USA hergestellten Modells, Ersatzteile nicht zu vergessen. Es machte ihn zu einem sehr reichen Mann, der am Ende seines Lebens über 100 teils beeindruckend profitbringende Patente hielt.
    Reeves starb 1925 im Alter von nur 60 Jahren an einer schweren Lebererkrankung. Vergeblich hatte er versucht, in John Harvey Kelloggs Battle-Creek-Sanitorium mithilfe von Elektro-und Wassertherapien Heilung zu finden. Ob Reeves wusste, dass zwei Jahre zuvor noch einmal jemand versuchte, das OctoAuto zu einem Erfolg zu machen, ist nicht bekannt.
    1923 hatte jemand ein achträdriges Automobil zum Patent angemeldet, was Reeves selbst versäumt hatte. Das Patent wurde wenige Wochen vor Reeves Tod gültig – und einem Erfinder namens Rivas zugesprochen. Weil jener ansonsten keine Spuren hinterließ und auch wegen dem ähnlich klingenden Namen gibt es Gerüchte, Reeves könnte mit dem Patent zu tun gehabt haben. Geändert hat die Patentierung nichts: Die Zahl der tatsächlich im Lauf der Automobilgeschichte gebauten Octomobile lässt sich an einer Hand abzählen.

Atlantische Träume:
Das letzte große Hindernis
    Innerhalb weniger Jahrzehnte war die westliche Welt quasi zusammengeschnurrt: Distanzen, die man eine Generation zuvor nur in monatelangen Mühen überbrücken konnte, erreichte man nun per Zug innerhalb von Tagen. Der Telegraf schuf Kommunikationsverbindungen in Echtzeit. Was blieb, war der Atlantik: Selbst an der schmalsten Stelle ging das Weltmeer wie ein 3.000 Kilometer breiter Riss durch die westliche Welt, trennte Europa von Amerika.
    Natürlich wurden auch bei der Überquerung dieses enormen Hindernisses neue Rekordmarken gesetzt. Nirgendwo verbreitete sich die Maschinenkraft schneller als in der Schifffahrt, und die Entwicklungssprünge waren enorm.
    Am 4. April 1838 verließ der Dampfsegler Sirius,

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