Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)
ausgestattet mit einer 320 PS leistenden Dampfmaschine, den Hafen der südirischen Stadt Cork. Das Schiff sollte gleich zwei Rekorde aufstellen: Geschichte schrieb sie, weil sie als erstes Schiff ausschließlich per Dampfkraft den Atlantik überquerte. Dazu kam ein neuer Geschwindigkeitsrekord. Sie lief nach nur 18 Tagen und vier Stunden im Hafen von New York ein – damals eine atemberaubende Leistung, die die Kraft und Zuverlässigkeit der neuen Schiffstechnik eindrucksvoll dokumentierte. Noch eindrucksvoller war dann allerdings, dass nur wenige Stunden später auch das Dampfschiff Great Western in New York anlegte – nach einer Atlantiküberfahrt in nur 15 Tagen und 12 Stunden.
Damit war das Rennen eröffnet. Zahlreiche Reedereien versuchten, die Rekorde ihrer Konkurrenz zu unterbieten. Vor allem die Schiffe der Cunard-Linie aus dem britischen Southampton taten sich hierbei hervor. Rund 30 Jahre lang setzten fast ausschließlich Cunard-Schiffe die Bestmarken und schmückten sich mit dem Blauen Band, das nun an das jeweils schnellste transatlantische Schiff verliehen wurde.
1850 hatte man die Überfahrtzeit auf neun Tage, 17 Stunden und 15 Minuten verkürzt, sechs Jahre später schaffte es der Cunard-Dampfer Persia erstmals in unter neun Kalendertagen. Die 1870er sahen das Sinken der Überquerungszeit auf sieben Tage, und pünktlich zum Beginn der 1880er wurde die Sechs-Tage-Grenze gerissen – der sich immer schneller verbreitende Schiffsschrauben-Antrieb machte es möglich. Viel schneller ging es allerdings bald nicht mehr: Bis zum Ende des Jahrhunderts hatten die Reeder die Überfahrtzeit auf fünfeinhalb Tage verkürzt. Weitere Verbesserungen gab es nur im Stunden-oder Minutenbereich. Es sollte noch 30 Jahre dauern, bis auch die fünf Tage unterboten wurden. Als das Ende der nach regelmäßigem Plan fahrenden Transatlantikrouten nahte, lag die 1952 gesetzte Rekordmarke bei drei Tagen, 12 Stunden und 12 Minuten – die United States hatte den Atlantik mit einer Schnittgeschwindigkeit von fast 66 km/h bezwungen.
Den Traum von der Atlantikquerung träumten viele »Aeronauten«
Schon lange vorher dämmerte vielen, dass der Ozean wirklich schnell nur fliegend überquert werden könnte. Im April 1784 hatte George Washington von den ersten erfolgreichen, im Jahr davor
gelungenen Ballonflügen der Gebrüder Montgolfier erfahren. An einen Freund in Frankreich schrieb er, dass dann wohl bald die Franzosen durch die Luft geflogen kämen, »statt den Ozean zu durchpflügen, um nach Amerika zu kommen«.
Eine prinzipiell richtige Einschätzung: Versuche gab es reichlich, und zwar in Form von Ballons. Doch leider sollten diese sich schon bald als reichlich ungeeignete Luftvehikel für den transatlantischen Passagierverkehr erweisen.
Verlockend war der Gedanke natürlich. Die Entdeckung starker und schneller Winde in großen Höhen ließ die Phantasien erblühen: In unter einer Woche, errechneten die »Aeronauten«, wie sich die Ballonfahrer nannten, sollte die Strecke Paris-New York zu schaffen sein. Erste konkrete Pläne schusterte im Jahr 1836 der Brite Charles Greene. Es blieb bei Plänen.
1859 taufte schließlich John LaMountain einen Ballon auf den Namen Atlantic, und natürlich sollte Nomen hier gleich Omen sein. Auch er scheiterte, bewies aber vorher noch die grundsätzliche Möglichkeit, sich per Ballon über große Distanzen schnell fortzubewegen. Sein Testflug von St. Louis nach New York endete zwar nach rund 1850 Kilometern mit einer Bruchlandung, für die Strecke hatte er jedoch nur 19 Stunden gebraucht, also eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 97 km/h vorgelegt. Der Scientific American rechnete hoch: »Wenn ein Ballon sich mit derselben Geschwindigkeit, mit der sich der Atlantic von St. Louis aus bewegte, über den Ozean flöge, würde es nur zwei Tage von New York nach England dauern. Das scheint keine unmögliche Aufgabe.«
LaMountain restaurierte seinen Ballon. Knapp zwei Monate nach der Bruchlandung stieg er erneut zu einem kleinen Testflug auf, der als Generalprobe für die Ozeanüberquerung gedacht war. Vier Tage später wurden LaMountain und ein Mitfahrer aus den Wäldern von Oregon gerettet, wo sie ziellos umherirrten: Der Ballon hatte sie in nur vier Stunden fast 500 Kilometer weit hinfortgerissen und war dann in der kanadischen Wildnis zerschellt. LaMountain gab seine Pläne danach auf.
Für John Wise, seinen Kopiloten auf der Ballonfahrt von St. Louis, galt das nicht. Ihm gelang es 1873,
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