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Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Titel: Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Patalong
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begannen erste Schausteller, mit öffentlichen X-Strahlen-Demonstrationen durch die Lande zu tingeln.
    Das Muster solcher Shows war immer gleich: Im Halbdunkel wurden die Besucher vor einem Fluoreszenzschirm geröngt und konnten sich die nachleuchtenden Bilder kurz ansehen. Alternativ kamen Fluoroskope zum Einsatz, die man sich vor den Kopf hielt oder schnallte und dann beispielsweise eine Hand vor eine Röntgenröhre hielt. Solche Fluoroskope nutzten auch Ärzte bei Diagnose und Operation.
    Fluoroskop: Direkter Blick durch den Sehschlitz auf die Strahlenquelle
    Es sollte wieder einmal Thomas Alva Edison sein, der die Technik eines anderen maßgeblich verbessern ließ. Edison stürzte sich nach bekanntem Muster auf Röntgens Erfindung: Ihn interessierten die größten Schwächen, aus denen man anschließend ein Geschäft entwickeln konnte. Und er sollte sie bei den Fluoroskopen entdecken – preiswert zu produzierende Geräte, die bei entsprechender Qualität zum einen eine gesunde Gewinnspanne versprachen, zum anderen in Masse produziert werden konnten.
    Edison plante das Volks-Fluoroskop, wenn man so will. Röntgengeräte für Jedermann, mit denen man in der gemütlichen Stube mit dieser neuen Form der Fotografie experimentieren konnte, füllten die Anzeigenteile von Fach-und Publikumspresse ab etwa der Jahrhundertwende. Röntgenstrahlung schickte sich an, Hobbyraum und Spielzimmer zu erobern.
    In Frankreich soll es kurzzeitig ein Theaterstück gegeben haben, in dem die durchleuchteten Schauspieler vor Luminiszenzschirmen agierten. Nur dort erprobte die deutsche Spielzeugfirma Märklin auch den Verkauf eines Röntgenapparats für Kinder – stromerzeugende Elektrisiermaschine inklusive. In wohlhabenderen Kreisen verlustierte man sich mit Gasentladungsröhren und Fluoroskopen – eine prächtige Ergänzung der gerade sehr populären Séancen-Partys.
    Doch die Zeit um die Jahrhundertwende war nicht nur euphorisch, sondern auch furchtsam, nicht nur sinnenfroh und neugierig, sondern auch prüde und bigott. Das alles musste darum auch Ängste vor Nebenwirkungen wecken, und zwar sittlicher Art.
    Man befürchtete, dass bald schon generell zu viel Durchblick herrschen würde.
    Viel zitiert, aber nicht gesichert ist die Anekdote, derzufolge ein Abgeordneter aus New Jersey ein gesetzliches Verbot von X-Strahlen in Operngläsern gefordert haben soll (nicht, dass das realistisch gewesen wäre!). Tatsache ist, dass Kleidungshersteller Unterwäsche anboten, die angeblich sicher vor der Durchleuchtung mit X-Strahlen schützen sollte. Für Satiriker waren das Steilvorlagen: Die Angst vor dieser neuen Art der Spannerei floss in unzählige zeitgenössische Karikaturen ein.
    Wie schnell die X-Strahlen zur zeitgenössischen Popkultur gehörten, zeigt eine Karikatur aus der Münchner Zeitschrift Jugend aus dem Jahr 1896: Da wird ein honoriger Stadtfürst, der öffentlich beklagt hatte, überall in München mit Nacktheit konfrontiert zu werden, damit auf den Arm genommen, dass man ihm Röntgenaugen attestierte – anders sei das mit den nackten Visionen nicht zu erklären.
    BART AB MIT SCHLAMM UND
RÖNTGENSTRAHLEN
    D en Bart von den Wangen der Männer zu entfernen gelang mithilfe einer schlammartigen Paste, die von einem New Yorker Arzt erprobt wird.
    Nach Auftragen der Masse härtet diese aus und wird abgerissen. Am Ende der Prozedur werden Röntgenstrahlen auf die Haut gerichtet. Der Erfinder der Methode behauptet, sie sei heilsam und entferne bei regelmäßiger Anwendung auch Narben und andere hartnäckige Makel. Es heißt, die klebrige Behandlung habe keine schädlichen Nebenwirkungen für die Haut.
    Popular Mechanics , 1924

    Der Bart eines Mannes wird entfernt unter Einsatz von Schlamm (unten) und Röntgenstrahlung.

Die späte Rache der Strahlen
    Es war die letzte, zudem kurze Phase der Unschuld im Umgang mit den Kräften und Risiken der Strahlen. Natürlich hatte es nicht lange gedauert, bis die Pioniere entdeckten, dass sie schnell auch Verbrennungen auslösen konnten. Einige Jahre später begann man, die X-Strahlen gezielt im Rahmen von Bestrahlungen zur Bekämpfung von Krebs und Hautkrankheiten zu nutzen. Für einige Jahre aber behandelte man die daraus resultierenden Hautrötungen und Irritationen ähnlich wie den Sonnenbrand: Man versuchte, es zu vermeiden. Aber wenn es geschah, war es eben auch nicht mehr als ein Ärgernis.
    Der Fall Clarence Madison Dally sollte das ändern.
    Clarence Dally und sein Bruder Charles

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