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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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um, Michael«, murmelte sie, als sie mit den Schlüsseln hantierte. Sie würde ihn zwingen, die Ausrüstung herauszunehmen und zu waschen, bevor sie heute abend ins Bett gingen, und ihn daran erinnern, daß sie beide Jobs hatten und daß auch er seinen Beitrag zur Hausarbeit leisten mußte.
    Sie nagte an der Innenseite ihrer Lippe und legte den Gurt an. Ein Hund war eine gute Idee. Ein Boxer, oder ein Dobermann. Etwas Großes. Etwas Kräftiges. Sie könnte ihn auch zum Joggen mitnehmen. Vielleicht würden es sich die Lastwagenfahrer auf der Trafalgar Road dann zweimal überlegen, bevor sie ihr
auf der Straße nachschrien. Im Licht der Straßenlampe hatte sie den Zündschlüssel gefunden, sie ließ den Motor an und überprüfte den Rückspiegel. Auf dem Rücksitz saß ein Mann und lächelte sie an.

39. KAPITEL
    A m nächsten Morgen wurde Hartevelds Leiche bei Wapping aus dem Fluß gezogen und nach Greenwich zur Obduktion gebracht. Zur gleichen Zeit brachten seine Anwälte Schloss-Lawson und Walker die Besitzurkunden ihres Klienten zum AMIP. Maddox und Caffery warfen einen Blick darauf und fanden sofort, wonach sie suchten.
    »Also dann einen Durchsuchungsbefehl für die Halesowen Road?«
    Maddox nickte. »Und wann ist die Obduktion von Jackson?«
    »Heute nachmittag, nach der von Harteveld.«
    »In Ordnung. Sie sind bei der von Jackson dabei. Wir lassen Fiona und Logan die Wohnung allein durchsuchen.«
    Als Caffery im Leichenhaus an der Devon Street ankam, hatte man Jackson bereits durchleuchtet, und die äußere Untersuchung war abgeschlossen. Man hatte sie fotografiert, auf Haare und Fasern untersucht, und es waren anale, orale und vaginale Abstriche gemacht worden. Eine der Sektionsgehilfinnen reichte Caffery eine Maske und Kampferöl.
    »Ihr Handy«, murmelte sie, »wenn es nicht schon …«
    »Natürlich. Natürlich.« Er schaltete sein Telefon ab, nahm auf der Erkerempore Platz, lehnte sich ans Geländer und sah in den Sektionsraum hinab.
    »Guten Tag, Mr. Caffery.« Krishnamurthi in seiner grünen Plastikschürze sah nicht auf. Er legte den Koronalmastoidschnitt an – indem er Peaces Kopf von Ohr zu Ohr aufschnitt. »Offensichtlich haben Sie das kürzere Streichholz gezogen.«

    »Das stimmt.«
    »Mir wurde gesagt, daß der Mr. Harteveld, den ich heute morgen auf meinem Tisch liegen hatte, derselbe Mr. Harteveld ist, der mir während der letzten Wochen all die Arbeit beschert hat. Habe ich recht?«
    »Vollkommen. Haben wir eine Todeszeit für Jackson?«
    »Ich bin kein Entomologe, aber Sie dürfen gern nachsehen.« Er zeigte auf eine Reihe verschlossener Phiolen auf der Seitenbank. »Ich denke, Sie finden die üblichen Verdächtigen, Dipteria und Calliphoridae, erstes oder zweites Entwicklungsstadium, auf dem Mund, der Nase, der Vagina. Und dann auf den Wunden: Fleischfliegen, noch im Larvenstadium. Es hängt eine Übersichtstafel im Waschraum, wenn es Sie wirklich interessiert.«
    »Nein, ist schon gut. Es hört sich ganz so an wie bei den anderen …«
    »Das stimmt, Mr. Caffery. Absolut identisch mit den anderen.«
     
    Weniger als eine halbe Meile entfernt wachte Susan Lister auf. Ein Vogel sang, und warmes Licht strich über das Netz der Venen in ihren Augenlidern. Blechernes Lachen aus einem Fernseher drang von irgendwo her. Sie dachte, sie sei zu Hause im Bett, bis sie Urin roch und feststellte, daß die Innenseiten ihrer Schenkel naß waren. Dann erinnerte sie sich wieder.
    Ein Bohrer dröhnte an ihrer Schläfe, ein Bohrer, oder war es eine elektrische Säge?
    Sie öffnete die Augen und versuchte, sich aufzusetzen. Einen Moment lang bäumte sie sich hilflos am Boden auf und schlug mit dem Kopf von einer Seite zur anderen: Sie war gefesselt. Sie gab auf und blieb mit klopfendem Herzen still liegen.
    Mach nicht auf dich aufmerksam, Susan. Warte einen Moment. Denk zuerst über alles nach.
    Sie leckte sich über ihre wunden Lippen und sah sich um, versuchte ihre Lage zu beurteilen.

    Sie lag auf einem Cordteppich in einem Raum, der von Neonlampen beleuchtet wurde. Etwa einen Meter entfernt, unter einem braunen Velourssofa, entdeckte sie Haarbüschel und Schokoladenpapiere. Alles war von einer dünnen grauen Staubschicht bedeckt; jetzt spürte sie den Sand in ihrem Mund und ihren Augenlidern. Er hatte sie auf die Seite gelegt, Hände und Füße nach hinten gebogen und unterhalb des Gesäßes mit etwas Festem zusammengebunden; es fühlte sich wie ein Nylonseil an. Aber schlimmer noch, noch viel schlimmer,

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