Der Vogelmann
Flutlicht, trank Kaffee und beobachtete, wie Fiona, die in ihrem leuchtendweißen Anzug nicht zu übersehen war, in einem kleinen Plastikgefäß Zahnzement anrührte. Nach einer Weile richtete sich Maddox auf und begann, sein Jackett zuzuknöpfen.
»Ich muß darüber nachdenken. Wir wollen sehen, daß wir ’ne Mütze Schlaf kriegen. Wir treffen uns wieder in Shrivemoor – um sechs? Sie können es vor dem Treffen mit Essex und Marilyn durchsprechen und sehen, wie es bei ihnen ankommt.«
Nachdem Maddox gegangen war, rollte Jack seine letzte Zigarette und ging ein paar Schritte die Straße hinunter. Die Gärten dufteten intensiv nach Jasmin. Er blieb stehen und sah zu einem Rechteck aus gelbem Licht über dem niedrigen Dach einer Garage hinauf. In diesem Moment wurde ihm klar, wo er war.
Die Malpens Street bog direkt von der South Street ab. Sie waren aus einer anderen Richtung hergekommen, aber jetzt erkannte er, daß er nur vier oder fünf Häuser von dem Trödelladen
entfernt war. Auf der Hauptstraße umsäumte eine niedrige Mauer die Gärten, und von seinem Standort aus konnte er die rückwärtigen Parkplätze sehen, über die sich schräg ein Garagendach zog. Ein erleuchtetes Fenster war einen Spalt geöffnet, um die Nachtluft einzulassen.
Rebeccas Küche.
Er ging zurück, lehnte sich gegen den Wagen, der in einiger Entfernung der Straßenlaternen geparkt war, und zog sein Handy aus der Jackettasche. Über die Dächer hinweg konnte er Rebeccas Telefon klingeln hören.
»Hallo?« Aber es klickte in der Leitung, und er stellte fest, daß er mit einem Anrufbeantworter sprach.
Es war Jonis Stimme: »Tut mir leid, daß Sie Mühen und Kosten eines Anrufs nicht gescheut haben und wir nicht den Anstand haben, zu Hause zu sein, um Ihr Gespräch entgegenzunehmen.«
Caffery fluchte leise. »Hören Sie, ich weiß, daß jemand zu Hause ist. Hier ist Jack, Detective Inspector Caffery. Nehmen Sie ab.« Er wartete. Nichts. Er seufzte. »Hören Sie, Rebecca, Joni, wenn sie zuhören, ich möchte, daß Sie vorsichtig sind, diese Sache ist noch nicht vorbei. Halten Sie Ihre Türen und Fenster verschlossen, o.k.? Und Rebecca…« Er hielt inne. »Rufen Sie mich an. Wenn Sie Zeit haben.«
Er schaltete das Telefon ab, stand im Dunkeln und sah zu dem Fenster hinüber. Ein paar Augenblicke später ging das Küchenlicht aus, und eine Gestalt kam zum Fenster und machte es zu. Caffery konnte nicht sehen, wer es war. Er steckte sein Handy in die Tasche und stieg wieder in den Jaguar.
42. KAPITEL
M it Hilfe einer halben Flasche Glenmorangie gelang es ihm, drei Stunden tief zu schlafen, bevor ihn ein Gedanke aufschrecken ließ:
Susan Lister war nicht aufgeschnitten worden.
Er seufzte, rollte auf den Rücken und legte die Hände über die Augen. Kein Vogel war ins Innere genäht worden. Kein Vogel.
Warum? Warum hast du uns diesmal das Symbol vorenthalten?
Es war kein Symbol gewesen.
Jack zuckte zusammen. Er stützte sich auf die Ellbogen und blinzelte. Sein Herz klopfte. Er hatte das Gefühl, jemand anderer im Raum habe die Antwort gegeben.
Kein Symbol? Was denn?
Susan Lister lebte. Kein Vogel. Und was ist mit diesen sechs elenden Aasklumpen im Leichenschauhaus? Ein lebendiger, zappelnder Vogel. Der so stark gezappelt hatte, daß er Gewebe von dem darunterliegenden Knochen gerissen hatte. Hartevelds Werk schien noch aus dem Reich der Toten seine Wirkung zu tun.
Das Mondlicht streifte kalt über seine Haut, und Caffery legte sich zurück, atmete gleichmäßig und lauschte auf sein Herz. Er glaubte zu wissen, was der Vogel bedeutete. Und er glaubte, genau zu wissen, wie er sich in das Puzzle einfügte. Jetzt wußte er, in welche Richtung er gehen mußte.
Das F-Team, von dem einige bereits ihre Sachen weggebracht hatten, war informiert worden und sollte rechtzeitig zur Morgenbesprechung
in Shrivemoor zurück sein. Caffery traf Maddox, Essex und Marilyn eine Stunde davor. Sie waren alle müde und niedergeschlagen. Caffery stand ein paar Minuten in der Mitte des Besprechungsraums und hielt seine Brille in der Hand. Er dachte nach und ordnete seine Gedanken, während Maddox, der den Kopf auf die Hände gestützt hatte, in der Ecke saß und zu ihm herüberstarrte. Marilyn war in der Küche und machte Kaffee. Sie hörten das Geräusch der Löffel, die auf dem Weg über den Gang in den Tassen klapperten. Sie summte, als sie den Kaffee in den Bespechungsraum brachte, als glaubte sie, das Geräusch könnte die Niedergeschlagenheit
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