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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Mr. Caffery. Vollkommen identisch mit den anderen.«
    Jetzt glaubte er zu verstehen, was vor sich ging.
     
    Es wurde schon dunkel, als er vor dem Forensischen Institut in der Lambeth Road parkte. Die Windschutzscheibe seines Jaguar war mit Mücken übersät. Die Lichter in der Eingangshalle warfen lange Schatten von Yucca-Palmen auf das Mosaik im Korridor: Im Dunkel des Gangs umklammerte Catherine Howard ergeben ihren Rosenkranz.
    Der Sicherheitsbeamte erhob sich von seinem Schreibtisch und reichte Caffery einen Ausweis. »Ich sage ihr, daß Sie auf
dem Weg nach oben sind, aber wir schließen in zehn Minuten, Sir, Sie müssen in zehn Minuten wieder draußen sein.«
    Sie holte ihn am Lift ab. Sie trug eine graubraune Jogginghose, ein grünes Sweatshirt und Reeboks und hielt eine geöffnete Coladose in der Hand. Ihr graues Haar war zu einer Pagenfrisur geschnitten. Sie war fast so groß wie er, und Jack fand Dr. Jane Amedure auf seltsame Weise schön.
    »Tut mir leid, Detective Caffery.« Sie führte ihn durch stille Gänge, an deren Wänden Reihen von Audubon-Drucken hingen, an Sicherheitsleuten vorbei, die letzte Kontrollgänge machten, und an technischem Personal vorüber, das sich die Laborkittel auszog. »Das Ergebnis tut mir leid, und es tut mir leid, daß ich es durch eine dritte Person übermitteln mußte. Ich habe versucht, Sie anzurufen, aber…«
    »Nein, macht ja nichts. Danke für Ihre Hilfe, aber deswegen bin ich nicht hier.«
    Sie sah ihn von der Seite an. »Nun, leider glaube ich nicht, daß Sie hier sind, um mich um eine Verabredung zu bitten. Also schließt mein scharfer Wissenschaftlerverstand, daß Sie wegen Operation Walworth hier sind?«
    Er lächelte. »Brillant.«
    »Dann kommen Sie herein.« Sie hielt die Tür zu ihrem Büro auf. »Wir haben heute alles von Ihren Leuten bekommen: Hartevelds Proben, ein Haar, das mich interessiert hat …«
    »Maden.«
    »O ja. Die auch, die scheußlichen kleinen Dinger. Sie wurden Gott sei Dank bereits ans naturhistorische Museum weitergegeben. Dr. Jameson wird eine Testreihe durchführen: die Bedingungen denjenigen anpassen, unter denen sie gefunden wurden, und sie bis zur Verpuppung beobachten.« Sie schob ihm einen Stuhl hin und quetschte sich hinter einen Schreibtisch, der mit Stapeln von Papieren, Colabüchsen und Aschenbechern vollgestopft war. Eine Schreibtischlampe war tief über die Arbeitsplatte gezogen, und im Fenster hinter Dr. Amedure stand eine nigerianische Kultmaske, die mit Haifischaugen in
den Raum starrte. »Auf den ersten Blick sieht alles ganz wie üblich aus, wissen sie, ein paar Abweichungen, aber ansonsten alles ganz genauso wie bei den anderen.«
    »Ich weiß. Das hat auch Krishnamurthi gesagt. Das ist es ja, was mir Sorgen macht.«
    »Was Ihnen Sorgen macht?«
    Er zog seinen Stuhl näher zum Schreibtisch. »Erklären Sie mir doch: die Fleischfliegen, die Eier in die Wunden legen …«
    »Nein, nein. Keine Eier. Unsere Freundin, die Sarkophagidae, legt keine Eier. Sie legt Larven ab.«
    »Immer in eine Wunde?«
    »Ja.« Sie hob eine Coladose hoch und schüttelte sie. Leer. Sie nahm die nächste und versuchte, diejenige zu finden, die sie gerade abgestellt hatte. »Also, aufgrund meiner geringen Kenntnisse der Entomologie würde ich es folgendermaßen ausdrücken: Die Schmeißfliegen legen ihre Eier auf die Schleimhäute, das heißt den Mund, den Anus, die Vagina, die Augen und Nasenlöcher etc. Bei üblichen Gewaltverbrechen gibt es Wunden und Blut; und zur selben Zeit, in der die Dipteria ihre Arbeit tut, siedeln sich die Fleischfliegen auf den Wunden an.«
    »Aber das ist bei Jackson nicht geschehen?«
    »Auch bei den anderen Opfern nicht. Obwohl sich Sarkophagidae ebenso wie Dipteria im Larvenstadium befand, machte die Fleischfliege keine Larvenhäutungen durch: Also wußten wir, daß sie später dazugekommen war. Damit ist uns ein Licht aufgegangen: wir schlossen daraus, daß die Wunden post mortem beigebracht wurden. Der Serotoninspiegel in den Wunden half uns, den Zeitraum enger zu begrenzen.« Sie hatte die volle Coladose gefunden. Sie nahm einen Schluck und sah wieder zu ihm auf. »Sie zielen offensichtlich auf die Lücke von sechzig bis zweiundsiebzig Stunden ab.«
    »Sechzig? Ist das das Minimum?«
    »Ich schätze nur.«
    »Gut, aber was ist der früheste Zeitpunkt, zu dem sie sie abgelegt haben könnten?«

    »Ungefähr? Ganz grob über den Daumen gepeilt? Ich würde sagen, ähm, Mittwoch morgen? Wie die anderen, in einem

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