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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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fotokopiert, an der Wand hing, lächelte ihn an.
    Er füllte die abgeschabte Emailleschüssel mit Wasser und machte den Waschlappen naß. Die Zebrafinken in ihrem Käfig rutschten über die Stange, stießen zusammen und schüttelten die Federn, Joni starrte ihn an, er trat unbehaglich von einem Bein aufs andere und kratzte sich angesichts all der kleinen glotzenden Augen am Hals …
    Und dann nahm die Vorstellung, was mit dem Körper zu tun wäre, langsam Gestalt an.
    Im Schlafzimmer wusch er das Mädchen und führte seinen Plan aus, indem er vorsichtig ihre Beine öffnete und Wasser in sie hineindrückte, das er auf ein Handtuch unter ihrem Gesäß rinnen ließ. Das wiederholte er mehrere Male, bis er sicher sein konnte, daß alles, was Harteveld zurückgelassen hatte, weg war. Er wollte sie sauber haben, sie sollte frisch für ihn sein.
    Der Morgen graute, als er fertig war, und er mußte um neun Uhr im Krankenhaus sein. Lola Velinor, seine Chefin, war sehr pedantisch, was Pünktlichkeit betraf. Irgendwie würde er der Velinor ihre Unnachsichtigkeit heimzahlen. Er wußte noch nicht, wie, aber er würde es ihr heimzahlen. Trotz der Dezemberkälte schwitzend, stopfte er die Leiche mit dem Kopf voran in die Kühltruhe, drückte die Beine hinein und ging zur Arbeit.
    Während der Jahre in der Personalabteilung hatte er sichergestellt, daß er Zugang zu jedem Schrank, jedem Büro und jedem Schwesternzimmer hatte. Er kannte jeden Winkel im St. Dunstan und fand bald, wonach er suchte: Nähmaterial, ein paar Arterienklammern, eine Chirurgennadel und ein Skalpell. In Lewisham kaufte er eine Perücke, Make-up, eine Reihe Pinsel und eine ausgezeichnete Wilkinson-Schere.
    Wieder zu Hause, zog er einen Chirurgenkittel an, holte das Mädchen aus der Kühltruhe und legte es zum Auftauen in die Badewanne, während er die Vorbereitungen traf. Um halb neun war sie bereit; sie lag auf seinem Bett, das Make-up war aufgelegt, das Fett und Gewebe aus den Brüsten lag in einer Tupperwareschale.
Er hatte den Eingriff in Büchern der Bibliothek gesehen und fand, daß er ihn sehr gut gemacht hatte. Die blauen Stiche ließen ihre Brüste nicht schöner aussehen, aber immer noch besser als diese großen, fleischigen Kuhtitten: Sie erinnerten ihn an Jonis bewußte Zerstörung ihres Körpers, an den Körper, den er in jener Nacht im Auto fast besessen hätte.
    Das einzige, was noch fehlte, welch genialer Einfall, war der Vogel. Wenn man den Thorax öffnete (der Schnitt mußte nicht so lang sein wie bei einem klassischen Thorakoabdominalschnitt), durch den fleischigen, fächerförmigen pectoralis major schnitt und vorsichtig das darunterliegende Rippenfell anhob, zeigten sich die marmornen Knochen in der schleimigen Brusthöhle. Genauso wie bei einer Rinderhälfte. Genauso wie bei den Leichen in der Anatomieklasse.
    Der Vogel strampelte, als er ihn hineinsteckte, einen Moment lang dachte er, er würde sich befreien, an die Decke flattern und fauliges Gewebe auf ihn fallen lassen, aber er beugte sich vor, preßte die Haut zusammen und vernähte eilig die Wunde.
    Er legte das Ohr an die kalte Brust.
    Der Vogel flatterte schwach. Genau wie Jonis flüsternder Herzschlag in jener Nacht.
    Dann bumste er sie zweimal, er hielt sich an ihren kalten Schultern fest und stieß sauren Atem in ihr bläuliches Gesicht. Es war zwar nicht perfekt, aber immer noch besser als seine schlaffe Hand.
    »Miststück«, sagte er hinterher zu ihr und schleuderte das Kondom auf den Teppich. »Miststück.« Sie war kalt und hart wie ein Stück Schweinerippe. Sie konnte nicht antworten. Er schlug ihr ins Gesicht, und die Perücke rutschte nach hinten und enthüllte den dichten, gescheckten Haaransatz. »Miststück.«
     
    Trotz seiner Versuche, die Leiche einzufrieren, wenn er sie nicht gebrauchte, verweste sie bald. Er wickelte sie in zwei Abfallsäcke, holte den Gartenspaten aus der Garage und fuhr zur Auffahrt der A2 hinaus. Er kannte die Strecke gut, es war die
Strecke, die er jedes Wochenende zu dem Bungalow in Kent fuhr, den seine Mutter ihm vermacht hatte. Dort gab es im Schatten des neuen Millennium Domes einen Streifen Ödland. Bei Tag war es einsam, bei Nacht verlassen. Er fand eine ruhige Stelle und tat, was er tun mußte.
    Wochen später kam Harteveld mit seiner verkniffenen Aristokratenmiene und seinem Gucci-Anzug wieder und hatte erneut ein bleiches, in Klarsichtfolie eingewickeltes Wesen in seinem Wagen.
    Nachdem die Leiche sicher in der Wohnung war – Mrs.

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