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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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interessiert? Thomas’ Vater sagt immer, daß die normal Aussehenden die schlimmsten seien.«
     
    »Ich dachte, er meinte seine Freundin.« Caffery rief Maddox vom Wagen aus an, sobald sie Cooks Wohnung verlassen hatten. »Als er ›meine Sekretärin für gesellschaftliche Angelegenheiten‹ sagte, dachte ich, er meinte seine Freundin. Aber er meinte seine Mutter. Sie kommt dreimal die Woche zum Putzen zu ihm. Abgesehen davon kann er nicht Auto fahren.«
    »Behauptet wer?«
    »Die Mutter. Sie sagt, er sei sehbehindert.«
    »Glauben wir ihr?«
    »Ich bin auf dem Weg ins St. Dunstan, um das nachzuprüfen, aber wie es aussieht, ist das eine Sackgasse.«
     
    Das ganze Personal war beim Mittagessen – außer dem zuverlässigen Mr. Bliss. Er begrüßte Caffery mit ausgestreckter Hand an der Tür, die Oberlippe war über die schlechten Zähne gezogen, und sein weiches Gesicht war rosig und glänzend, als hätte er ihm am Morgen vor dem Rasierspiegel eine Extrapolitur verpaßt.
    »Essen Sie nicht zu Mittag, Mr. Bliss?«
    Bliss hob den Finger und sagte: »Mittagessen ist für Schwächlinge, Mr. Caffery. Wußten Sie das nicht?« Er stieß ein seltsames, glucksendes Lachen über seinen Scherz aus und strich sich über den Kopf, um die dünnen Strähnen zu glätten. »Tut mir leid, daß ich heute morgen nicht hier war, um Ihren Anruf entgegenzunehmen. Ich war noch immer dort draußen, hab mal wieder um einen Parkplatz gekämpft. Tut mir leid, berichten zu müssen, daß die Lage sich nicht gebessert hat …«
    »Ja«, unterbrach Caffery ihn. »Ja, ich erinnere mich, ich …« Er legte die Hand auf die Stuhllehne. »Mr. Bliss, ich frage mich,
ob Sie mir helfen können. Wir sind immer noch dabei, ein paar lose Enden zusammenzufügen.«
    »Ah, die schreckliche Sache beim Dome.« Er setzte sich und sah zu Jack auf. »Immer noch am Ackern, was?«
    »Stimmt.«
    »Und wie können wir helfen?«
    »Verfügen Sie über medizinische Akten Ihres Personals?«
    »Medizinische Akten? Nein. Wenn sie über die Pensionskasse eine Lebensversicherung abgeschlossen haben, könnte es sein, daß wir eine Kopie des Arztberichts aufbewahren, aber das ist alles.« »Aber Sie würden wissen, wenn jemand eine Behinderung hätte?«
    »Das Gleichstellungsgesetz des Krankenhauses besagt, daß wir eine bestimmte Anzahl Behinderter einstellen müssen. Sie füllen alle einen Fragebogen aus, wenn wir sie übernehmen. Dort würde es drinstehen. Aber Sie werden Mr. Harteveld dort nicht finden, er steht nicht auf unserer Gehaltsliste.«
    »Nein, das weiß ich. Ich denke an Mr. Cook.«
    »Das ist der Sektionsdiener, über den Sie mit Wendy gesprochen haben?«
    »Genau der.«
    »Sie hat heute morgen seine Akte für Sie herausgesucht, sie ist immer noch…« Er lehnte sich gefährlich weit in seinem Stuhl zurück, um auf die Aktenschränke im Eck zu sehen. »Nein.« Er drehte sich herum, um auf die Bank an der anderen Wand zu sehen. »Ah ja, dort drüben.«
    Caffery beobachtete ihn, als er zum Aktenschrank ging. Bliss hatte heute etwas Seltsames an sich, etwas Federndes lag in seinem Schritt, das auf eine unterdrückte Erregung hindeutete.
    »Da!« Er kam mit einem Aktendeckel zum Schreibtisch zurück und knallte ihn triumphierend auf die Platte. »Zum Glück habe ich sie nicht wieder eingeordnet. Also dann, werfen wir einen Blick hinein.«
    Er blätterte ein paar Seiten durch, seine blassen Augen überflogen
den Text, sein Mund bewegte sich geräuschlos, und gelegentlich wischte er sich die Hand am Jackett ab. An den Wurzeln seiner Zähne befand sich eine milchige Ablagerung, stellte Caffery fest.
    »Ah ja, hier.« Er deutete auf die Seite. »›Irgendwelche Behinderungen? ‹ Cook beantwortete das mit ›Ja‹. Im Formular steht: ›Bitte beschreiben Sie diese.‹« Er leckte sich über die Lippen. »Und Cook gibt ›Farbenasthenopie‹ an.« Bliss sah zu Caffery auf und blinzelte. »Das heißt, ihm fehlen die Zäpfchen in der Netzhaut. Er kann keine Farben sehen.«
    »Und er erträgt kein Sonnenlicht.«
    Bliss sah auf einen Punkt über Cafferys Schulter, als versuche er, sich an etwas zu erinnern. »Und wir reden von einem Mann mit ziemlich langem roten Haar?«
    »Das ist er.«
    »Ja, ich habe ihn hier gesehen. Ich erinnere mich an die Sonnenbrille. Also, er ist Sektionsdiener, oder?« Er rieb nachdenklich sein Kinn und lächelte Caffery an. »Man kommt in diesem Job mit so vielen verschiedenen Leuten zusammen, da ist es schwierig, mit jedem Gesicht einen

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